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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt
Autoren: Andreas Eschbach
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immer noch jenen Geruch, der ihn, wie ihm wieder einfiel, einst angezogen hatte. Das machte es leichter, beinahe angenehm, und tatsächlich gewährte sie ihm am nächsten Tag Zugang zum Archiv, half ihm sogar bei der Suche nach der Unbekannten und wirkte bei alldem ganz weich und sanftmütig.
    Sie fanden sie auf Anhieb.
    »Merkwürdig«, meinte Joana. »Schau dir die Zeitangaben an. Sie taucht auf, stromert einen Tag lang im Schiff herum und ist dann wieder für Wochen verschwunden.«
    »Und man sieht sie nie arbeiten«, nickte Wim. »Sie ist immer nur unterwegs. Und wie sie sich umsieht! Als ob sie jemanden sucht.« In dem grauen Overall und mitten im ewigen Gedrängel der Gänge wirkte sie seltsam alterslos. Wim kaute an seiner Unterlippe. »Wie weit reicht das Archiv zurück?«
    Es reichte drei Monate zurück. Als sie es komplett durchsuchten, entdeckten sie auch Aufnahmen der Begegnung zwischen Pavlov und der Unbekannten. »Ist er das? Dein Auftraggeber?«, wollte Joana wissen und betrachtete die Bilder eingehend. »Die nimmt ihn ganz schön ran. Junge, Junge.«
    »Du musst grade reden«, meinte Wim.
    Pavlov war allerdings nicht der Einzige gewesen, den die Unbekannte beglückt hatte. Sie fanden zahlreiche weitere Aufnahmen diverser Stelldicheins, im Grunde immer mit demselben Typ Mann: groß, breitschultrig, dunkelhaarig und muskulös. Wim überspielte eine repräsentative Auswahl von Bildern in sein Memopad und war froh, den Hauptanteil seiner Bezahlung bereits erhalten zu haben. Pavlov würde nicht gefallen, was er ihm da zu zeigen hatte.
    Sie entdeckten noch mehr. Sie fanden eine Aufnahme, die zeigte, wie die Unbekannte aus der Kabine des stellvertretenden Kommandanten kam.
    Joana grinste. »Da drin hat das System zwar keine Augen, aber ich schätze, ich komme auch so drauf, was sie gewollt hat.«
    Wim grinste nicht. »Eben«, sagte er. »Die Kommandantenkabinen sind die einzigen Orte im Schiff, die das System nicht einsehen kann. Und die Unbekannte muss ja irgendwo sein in den Wochen, in denen sie nirgends auftaucht, oder?« Er schüttelte den Kopf. »Ist das widerlich.«
    Joana runzelte die Brauen. »Ich glaube, ich konnte dir gerade nicht ganz folgen.«
    »Ich versuche, eine Alternative zu finden zu der Vorstellung, dass unser stellvertretender Kommandant eine heimliche Geliebte versteckt hält. Aber irgendwie will mir keine andere Erklärung einfallen. Verdammt, sie kann höchstens sechs Jahre alt gewesen sein, als er sie an Bord geschmuggelt hat, verstehst du? Er muss sie sich regelrecht herangezogen haben.«
     
    Der stellvertretende Kommandant war ein kleiner, knochiger, wenig sympathischer Mann und so ziemlich in jeder Beziehung das Gegenteil des Kommandanten. Der war inzwischen zur Vaterfigur herangereift, allseits geachtet und ständig präsent, während man seinen Stellvertreter so gut wie nie zu Gesicht bekam.
    Anlässlich der Verkündung der Ergebnisse, die die Kundschaftersonden geliefert hatten, waren ausnahmsweise beide Kommandanten im Kontrollzentrum anwesend. Beide trugen überaus ernste Gesichter zur Schau. Den Kolonisten, die praktisch ausnahmslos vor den Schirmen des Komunikationssystems versammelt zusahen, schwante Übles.
    »Wie Sie wissen«, sagte der Kommandant, »sind vor einigen Tagen die beiden Kundschaftersonden zurückgekehrt, die wir vor sieben Jahren ausgesandt haben. Die Mission verlief vollkommen nach Plan. Die Sonden haben den Zielstern erreicht, alle geplanten Messungen durchgeführt und konnten wohlbehalten geborgen werden.« Man wartete auf das gewohnte warmherzige Lächeln, doch es blieb aus. Stattdessen fuhr der Kommandant fort: »Leider ist das die einzige gute Nachricht, die ich habe.«
    Eine Pause. Fünfzigtausend Kolonisten, zusammengepfercht in schmalen Gängen und winzigen Kabinen, hielten den Atem an.
    »Die Messungen zeigen zweifelsfrei, dass unser Zielstern, der zweite Planet des Sterns 47 Uma, nicht bewohnbar ist«, erklärte der stellvertretende Kommandant mit grimmig gefurchter Stirn. »Seine Oberfläche ist vollkommen tot und hochradioaktiv. Warum die Fernmessungen, die von der Erde aus mit Hilfe des Hoyle-Teleskops gemacht worden sind, dies nicht gezeigt, sondern im Gegenteil Lebensspuren ergeben haben, ist im Augenblick unerklärlich. Die einzige Hypothese derzeit lautet, dass dieser Planet von intelligenten Wesen bewohnt gewesen sein könnte, die sich erst vor kurzem selbst ausgelöscht haben.«
    Fünfzigtausend Kolonisten in kaninchenstallartigen
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