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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt
Autoren: Andreas Eschbach
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jedenfalls.«
    Flüchtig dachte er darüber nach, wie oft er diesen Trick schon angewandt hatte. Das winzige Fläschchen würde vermutlich bis zur Landung reichen, und zweifellos war es eine gute Idee gewesen, es damals mit an Bord zu schmuggeln. Mittlerweile glaubten sogar die meisten der Klimatechniker, dass es so etwas wie Faulgasblasen gab.
     
    »Nein«, sagte Pavlov beim Durchsehen der Bilder. »Nein. Auch nicht. Nein. Nie im Leben. Nicht mal ähnlich.«
    Also hieß es weitermachen. Hinab in die Maschinenräume. Bis zu den Einspritzelementen der Triebwerke kam man, jenseits dessen erreichte die Strahlung ohnehin lebensgefährliche Werte. Schon der Aufenthalt zwischen den Fusionsreaktoren und Recyclinganlagen musste zeitlich begrenzt werden, da man beim Bau des Schiffes dem Maschinenraum natürlich nicht dieselbe Strahlenabschirmung zugestanden hatte wie dem Wohnbereich. Schwer vorstellbar, dass hier eine geheime Kolonie existieren sollte. Wo denn? Die Leute hätten einen eigenen, strahlengeschützten Wohnbereich gebraucht, und selbst wenn man die Frage außer Acht ließ, wie sie das hätten bewerkstelligen wollen, hätte das Ding einfach Ausmaße haben müssen, die man nicht einmal in den äußerst unübersichtlichen Maschinenräumen übersehen würde. Doch obwohl Wim seine gesamte Freiwache dafür opferte, in die entlegensten und schmierigsten Winkel der Maschinenräume zu kriechen, fand er nicht den Ansatz einer Spur. Er war mehr als frustriert, als er duschen ging.
    Die Dusche, das waren sich drängelnde nackte nasse Männerkörper, Dampfschwaden, Hitze und das Geräusch plätschernden Wassers. Es roch nach Seife und Schweiß und käsigen Füßen, und die Handtücher, in zwanzig Jahren Flug zehntausende Male gewaschen, waren nur noch brettharte Fetzen. Trotzdem war es eine Umgebung, in der Wim schon manche gute Idee gekommen war. Er fragte sich gerade, was er übersehen haben konnte, als er einen Gesprächsfetzen aufschnappte.
    »… mir erst danach gesagt, dass sie mich regelrecht ausgeguckt hat, über das Überwachungssystem …«
    Wim Freese hielt in der Bewegung des Einseifens inne und glotzte hoch, suchte das Videoauge, das klein und schwarz und knopfartig an der Decke hing, hier genauso wie überall. Das Surveillance System, natürlich! Die Unbekannte musste in den Archiven des allgegenwärtigen Überwachungssystems erfasst sein. Warum war er nicht eher auf diese Idee gekommen?
    Dann fiel ihm ein, wer das System betreute, und ihm war klar, warum er nicht eher auf diese Idee gekommen war. Verdrängung nannte man das wohl.
     
    Joana Treben war ungefähr das Gegenteil von dem, was Wim Freese an einer Frau gefiel. Sie hatte keinen wahrnehmbaren Busen, ein überaus ausladendes Gesäß und in den letzten Jahren an burschikoser Stämmigkeit noch einige Kilo zugelegt. Kaum zu glauben, dass sie am Anfang der Reise eine Zeit lang eine Affäre gehabt hatten. Kaum zu fassen, dass Joana mittlerweile ausgerechnet das Surveillance System leitete.
    »Eine Frau?«, fragte sie mit mehr als nur einem Anflug von Eifersucht in der Stimme, nachdem er ihr sein Anliegen vorgetragen hatte.
    »Nicht für mich«, wiederholte er. »Es ist ein, ähm, Auftrag.«
    Joana nickte. »Schon klar. Du und deine Nebenjobs.«
    »Man muss sehen, wo man bleibt.«
    »Hast du nicht Angst, dass du eines Tages einmal etwas findest, was du lieber nicht gefunden hättest?« Als er nicht antwortete, zuckte sie mit ihren breiten Schultern. »Also, offiziell darf ich dir natürlich keinerlei Auskünfte geben. Das System untersteht allein dem Kommandanten und seinem Stellvertreter.«
    »Und inoffiziell?«
    »Musst du mir einen guten Grund liefern, meine Position zu riskieren.«
    Wim seufzte. Das würde ihn in Teufels Küche bringen, er ahnte es, trotzdem schlug er vor: »Um der alten Zeiten willen?«
    Das schien ihr zu gefallen. Sie musterte ihn mit rätselvollem Lächeln. »Na so was. Das hätte ich doch kaum zu hoffen gewagt.«
    »Habe ich gerade etwas Verfängliches gesagt?«, fragte er und wusste genau, dass er gerade etwas Verfängliches gesagt hatte.
    »Komm, Wim. Ich kenne dich. Du hast unter Garantie ein hübsches Polster an Ruhetagsmarken, habe ich recht? Du und ich und eine Nacht im chambre separée, um der alten Zeiten willen, und ich werde zu Wachs in deinen Händen«, erklärte sie mit lüsternem Augenaufschlag.
    Also opferte er eine der Ruhetagsmarken seines Honorars und gab sich redlich Mühe, ihren Erwartungen zu entsprechen. Sie hatte
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