Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro
Autoren: Eschbach Andreas
Vom Netzwerk:
dieses Tages nicht überlebt.«
    Der Captain warf mir einen angewiderten Blick zu. »Dieses schreckliche Ding sah vorher schon mehr tot als lebendig aus«, sagte er. »Das ist aber noch lange kein Grund, dass diese Kerle jetzt faul in ihren Sätteln hängen. Sagen Sie dem Maître, dass seine Leute das Boot stabilisieren sollen!«
    »Ihre Göttin ist gestorben, Sir. Ihre Trauer …«
    »Ich habe dafür sehr wenig Verständnis, Mann! Sehen Sie nicht? Wir stürzen ab!«
    Der Maître fuhr herum. Er hatte den Knoten auf seinem Scheitel gelöst. Das hüftlange Haar umgab ihn wie ein wehender schwarzer Mantel.
    »So tun Sie doch etwas!«, schrie der Captain. »Bringen sie den Kerl zur Raison!«
    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die Pédaliers sich von den Sätteln schwangen, aus dem Gestänge ihrer Käfige schlüpften und an Bord kletterten. Die Cartesaner waren zwar nur knapp einen Meter groß, aber sie bewegten sich unglaublich flink. Die sonst so friedfertigen kleinen Wesen hatten sich in kleine gefährliche Waffen verwandelt. Sie stöhnten und knurrten, als wäre die Tollwut über sie gekommen.
    Das Boot trieb steuerlos dahin und kreiselte inzwischen so stark, dass ich taumelte und gegen die Reling gedrückt wurde. Ich starrte einen Moment lang hinunter in die Dunkelheit. Unter uns achttausend Meter freier Fall. Dann sah ich im Licht der Hecklaterne die Felswand dicht vor uns. Wir schwangen so knapp vorbei, dass ich befürchtete, wir würden sie jeden Moment berühren.
    »Man sollte sie erschießen!«, schrie der Captain zornig.
    »Wir sind unbewaffnet«, schrie ich zurück.
    Wieder huschte die Felswand vorbei, wieder ganz knapp. Die Wimpel flatterten und bauschten sich um uns. Der Fallwind riss uns immer rascher in die Tiefe. Das Heck sackte ab. Ich hielt mich an der Reling fest. Die Hecklaterne erlosch. Um mich war finstere Nacht. Über uns kreisten die Sterne – Schwindel erregend und erschreckend hell.
    »Nun tun Sie doch endlich etwas!«
    »Was soll ich denn tun, Captain?«
    »Halten Sie mir wenigstens die Kerle vom Leibe!«
    Ich wandte mich ihnen zu. Sie hatten einen Halbkreis gebildet und umstanden uns drohend geduckt. In ihren Gesichtern war eine schreckliche Veränderung vor sich gegangen. Es war ›der Blick‹. In den Berichten der ersten Siedler wurde er erwähnt. Die Nickhaut, die das Auge der Cartesaner verschleierte und ihm diesen traumverlorenen Ausdruck verlieh, hatte sich plötzlich zurückgezogen und einen schrecklichen Blick enthüllt. Verschwunden war die friedfertige Selbstversunkenheit. Augen wie aus Onyx starrten mich an – schwarz, hart, glatt und kalt. Raubvogelaugen – wachsam und mitleidlos.
    Ich war so verblüfft vom Anblick dieser jähen Verwandlung, dass ich eine Sekunde zu lang zögerte. In dem Moment sprangen sie mich an.
    Etwas schlug mir schmerzhaft gegen die Brust – dann musste ich das Bewusstsein verloren haben.
    »Nein, das haben Sie nicht, Monsieur Palladier«, sagte sie und goss den Rest der Schokolade in die kleinen durchsichtigen Porzellantassen auf dem Beistelltisch. »Oh, sie ist kalt geworden. Ich mache uns frische.« Sie stellte die Tassen und die Kanne auf das Tablett und erhob sich.
    »Captain Wilberforth hat mir berichtet, dass Sie gekämpft haben wie ein Berserker. Dass Sie die Angreifer mit bloßen Händen abgewehrt und ihm den Rücken frei gehalten haben, dass er die Barke ins Tal bringen konnte. Er hat zwar sein Leben lang nur Raumschiffe gesteuert, gestand er mir, aber das Prinzip war ihm vertraut.«
    »Er hat eine Bruchlandung hingelegt, wie ich mich dunkel erinnere.«
    »Nun, Monsieur Frébillons Barke ist ein Wrack, aber für alle Beteiligten ging es einigermaßen glimpflich ab.«
    »Die Cartesaner – der Maître und seine vier Pédaliers?«
    »Natürlich sofort über alle Berge, als sie unten waren.«
    Sie trug das Tablett hinaus in die Küche.
    Mein Blick fiel auf das überlebensgroße Porträt des Alexandre Galopin, der unter buschigen schwarzen Augenbrauen hervor streng und etwas zweifelnd auf mich herabblickte, aber grüßend die Hand hob, als die Sensoren meine Zuwendung registrierten. Der alte Galopin hatte die ersten Solarfarmen im Orbit errichtet, mit denen die Fangschiffe in den Flachmeeren und Salzmarschen mit Energie versorgt wurden. Er hatte viel für die Städte am Binnenmeer getan, und es war zum großen Teil seiner Popularität zu verdanken gewesen, dass man nach seinem tragischen Tod seine Tochter zur Bürgermeisterin von Arcachon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher