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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro
Autoren: Eschbach Andreas
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Transsubstantiation der verstorbenen Göttin, um dann den Diamanten ihres Leibes ins Tal zu bringen, der bei der Suche nach einer Wiedergeburt hilfreich sein soll.«
    »Ob das Geschmeide noch im Kloster ist?«
    »Das fragten sich auch zwei junge Männer aus Saint-Nazaire. Sie sind gestern mit einer Windbarke hinaufgesegelt. Sie fanden die Terrasse verlassen, das Kloster halb verwest. Ein Teil der Hülle klebt noch auf dem Sims, die Hautmasse des Leibes, berichteten sie, sei abgesackt, habe sich über viertausend Meter Steilabfall verteilt und stinke zum Himmel. Von dem Geschmeide fanden sie keine Spur. Vielleicht haben die Mönche es irgendwo versteckt.«
    »Möglicherweise. Ich hatte eher den Eindruck, es sei ihnen wertlos geworden.« Ich zuckte die Achseln. Die Spinnen an den Fenstern hatten ihre tägliche Arbeit vollendet und waren verschwunden.
    Die Bürgermeisterin lehnte sich langsam in ihrem Sessel zurück.
    »Manchmal kommt es mir vor«, sagte sie seufzend, »als sei der ganze Planet in Verwesung übergegangen. Als atmete er plötzlich etwas Giftiges aus, als stiegen eklige Dämpfe aus der Galdera dieses alten erloschenen Vulkans auf. Als gase das Gestein etwas Bösartiges aus, das alles Organische verdirbt.« Sie legte die Hand auf die Brust. »Oft fällt mir das Atmen schwer. Selbst die Insekten sind aggressiver als sonst.« Sie wies auf die Spinnennetze in den Fenstern. »Dabei war es immer eine so schöne Welt. Ein Paradies, wie es im Umkreis von hundert Lichtjahren nicht zu finden ist.«
    »Die ersten Menschen, die mit der Descartes hier landeten, glaubten tatsächlich das Paradies gefunden zu haben. Denken sie an die Sonette von Epervier, in denen er das Binnenmeer preist als eine Insel im bitteren Salzozean, der unter einer gnadenlosen Sonne verdunstet.«
    »Ja, ein Paradies – solange die Keschra ihre segnende Hand darüberhielt. Nun ist diese Hand verdorrt.«
    »Mademoiselle Galopin, wissen Sie, wovor ich am meisten Angst habe? Dass diese Raserei auch auf uns Menschen übergreifen könne. Als der Maître des Pédaliers auf mich losging, glaubte ich das Bewusstsein zu verlieren. Aber das war nicht der Fall. Irgendetwas bemächtigte sich meiner.«
    Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Da bin ich gänzlich unbesorgt«, sagte sie. Für einen Moment sah ich ihre dunklen Augen unter dem Schleier blitzen. »Es überkam uns ja auch nie die große Friedfertigkeit, als die Keschra noch lebte.«
    Ich starrte ihr Handgelenk an. Die feinen Tätowierungen, die ich für Arabesken gehalten hatte, waren – nun sah ich’s ganz deutlich – Sternbilder. Unwillkürlich hielt ich ihren Unterarm fest. Sie entzog ihn mir nicht.
    »Das sind die Sterne des inneren Orionarms«, sagte ich verblüfft.
    »Ja«, erwiderte sie. »Als ich in Nantes studierte, arbeitete dort ein Künstler, der sich auf das Tätowieren von Sternkarten spezialisiert hatte. Gefällt es Ihnen?«
    »Wunderschön.« Ich fuhr mit der Fingerkuppe darüber. »Sie hatten Ihre Gründe, nehme ich an …« Noch immer hatte sie mir ihren Arm nicht entzogen.
    »Ja, meine Mutter war Flottenoffizierin, bevor sie meinen Vater heiratete. Als die Ehe auseinander ging, trat sie wieder in die Flotte ein. Als sie mir das eröffnete, hielt ich es für eine gute Idee, mir diese Tätowierungen machen zu lassen. ›So weiß ich immer, wo du bist‹, sagte ich zu ihr. ›Ich werde immer spüren, wo du dich gerade befindest.‹«
    »Und Sie spüren es?«
    »Ja.« Sie deutete auf eine Stelle zwischen Lillepoint und Alexanders Stern. »Sie ist genau hier. Sie fliegt auf der Cigale. Sie hat sich davongestohlen in die Zukunft«, sagte sie mit einem Seufzen. »Noch bevor das Schiff sein Ziel erreicht, werde ich älter sein als sie.«
    Ich schloss die Augen und drückte einen zärtlichen Kuss auf die bezeichnete Stelle oberhalb ihrer Handwurzel. Meine Lippen berührten kühle samtige Haut, und ich atmete den herben aromatischen Duft von Zypressenzweigen an einem regnerischen Morgen.
    Ich warf einen schuldbewussten Blick auf das Porträt des alten Galopin.
    Er lächelte und nickte mir wohlwollend zu.
    »Ich hörte, dass Sie sich mit der Bürgermeisterin verlobt haben, Palladier.«
    »Sie haben richtig gehört, Captain.«
    »Gratuliere. Ist sie tatsächlich so schön, wie man behauptet?«
    »Das weiß ich nicht. Sie hat sich mir noch nicht ohne Schleier gezeigt.«
    »Dann hoffe ich, dass es eine angenehme Überraschung ist, die Sie erwartet.«
    »Überraschung,
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