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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gurten hinunterließen. Es regnete leicht, Dunst zog über die Gräber, die verwelkenden Blumen rochen stark und süßlich.
    Noch einsamer war das Begräbnis Monikas. Hier stand nur Julius Salzer am Grab, gestützt auf dem Arm des Pastors. Luise Dahlmann lag zu Hause in einem Nervenfieber. Dr. Kutscher, Dr. Ronnefeld und Robert Sanden saßen an ihrem Bett und bewachten sie, lösten sich alle zwei Stunden ab und verhinderten, daß Luise in ihren Fieberphantasien eine neue Tragödie auslöste.
    Sie hatte die Nachricht vom Tode Monikas mit der gleichen seltsamen Starrheit aufgenommen, die über sie gekommen war, als Ernst Dahlmann abstürzte. Es war, als lähme sie der erneute Schlag des Schicksals. Dann, ganz plötzlich, ohne Übergang, ohne äußere Anzeichen, aus der Starrheit heraus, schrie sie auf, begann wie im Schüttelfrost zu zittern und ließ sich willenlos ins Bett tragen. Dort lag sie in einem Zustand von Apathie, der ab und zu von neuen Schüttelfrösten unterbrochen wurde, aber jeder, der an ihrem Bett wachte, wußte, daß es eine trügerische Stille war und daß die Nervenkrise alle normalen Gedanken verdrängt hatte. Ein paarmal starrte sie an die Decke, mit hohlen Augen, und sagte schwach: »Warum lebe ich … warum lebe ich …« Immer nur diesen einen Satz, als laufe in ihr eine Walze ab, die nur diesen einen monotonen Satz enthielt. Die Binde hatte Dr. Ronnefeld von ihren Augen genommen. »Sie wird vollends irrsinnig, wenn sie jetzt auch noch blind sein müßte«, sagte er leise.
    »Sobald die Krisis vorbei ist, verbinden wir die Augen wieder.«
    »Aber werden die Augennerven nicht noch mehr darunter leiden?« fragte Robert Sanden leise. Dr. Ronnefeld sah den Schauspieler ernst an.
    »Als ob es jetzt noch darauf ankäme.« Seine Stimme klang merkwürdig hoffnungslos. »Wir wollen glücklich sein, wenn Luise uns überhaupt erhalten bleibt –«
    Nach einer Woche hatte sich Luise Dahlmann so weit erholt, daß nur noch Dr. Ronnefeld und Robert Sanden bei ihr saßen und nachts Fräulein Pleschke neben ihr im zweiten Bett wachte. Dr. Kutscher war damit beschäftigt, die Nachlaßsachen zu regeln und sich um Julius Salzer zu kümmern.
    Der junge Dichter hockte in der Heidekate herum, aß kaum noch etwas, starrte nur vor sich hin oder ging stundenlang in der Einsamkeit spazieren.
    »Er tut sich was an!« sagte die Bäuerin am Telefon zu Dr. Kutscher. »Er ist so komisch geworden. Neulich überraschte ich ihn, wie er vor einem Bild dieser Monika saß und mit ihr sprach. Ich habe Angst, daß er verrückt wird …«
    Dr. Kutscher fuhr in die Heide und holte Julius Salzer nach Hannover. Er beschäftigte ihn in seiner Anwaltskanzlei, ließ ihn Schriftsätze abschreiben, Akten zu den Klienten bringen, abgelegte Prozesse ins Archiv eingliedern … Julius Salzer erfüllte alle Aufgaben gewissenhaft und still, wie ein Hypnotisierter, dem man sagt, daß er dieses oder jenes tun müsse und der es willenlos ausführt.
    »Auch er wird einmal alles überwunden haben«, sagte Dr. Kutscher zu Dr. Ronnefeld. »Für ihn ist es der erste große Schock seines Lebens. Er wird daran reifen … so frivol es ist, ein solches Unglück auch noch positiv zu sehen.«
    Nach vierzehn Tagen durfte Luise Dahlmann wieder aufstehen. Sie trug wieder die Haftschalen Professor Siris vor den Augen und ließ sich von Robert Sanden führen. Es war, als müsse sie wieder gehen lernen … sie schwankte am ersten Tag unsicher auf den Beinen, knickte ein paarmal ein, als sei ihr zarter Körper zu schwer für die Knie. Am zweiten Tag ging es schon besser … am dritten Tag nach dem Aufstehen ließ sie sich trotz des Verbotes Dr. Ronnefelds hinaus zum Friedhof fahren.
    Lange stand sie am Grab Monikas, beugte sich herunter und tastete mit den Fingern die Blumen und Kränze ab, die auf dem Hügel lagen. Sie sprach kein Wort, und sie sagte auch nichts, als Robert Sanden sie wieder wegführte und sie die breite Allee, den Mittelgang des Friedhofes, hinabschritten. Plötzlich blieb sie stehen und ergriff die Hand Sandens.
    »Wo … wo liegt Ernst …«, fragte sie kaum hörbar. Robert Sanden atmete tief auf.
    »Etwa hundert Meter links von uns … hinter einer Taxushecke …«
    »Komm –«
    »Du willst zu seinem Grab –«
    »Ich will mit ihm sprechen … zum letztenmal …«
    Robert Sanden schwieg. Es war sinnlos, zu sagen, sie möge sich nicht aufregen … er kannte Luise nun gut genug, um zu wissen, daß dieser Gang an das Grab Dahlmanns der endgültige
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