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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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danke Ihnen.« Der dicke Faber lächelte wieder. Der Fall war für ihn damit abgeschlossen. Man konnte sich wieder dem angenehmeren Teil des Lebens zuwenden. »Sagen Sie mal, Doktor, wo kaufen Sie Ihre herrlich duftenden Zigarren ein?«
    Dr. Kutscher hatte in diesen Minuten keinen Sinn für Fabers Liebhabereien. Er war innerlich zu sehr mit dem Hause Dahlmann verbunden, als daß die Tragödie Luises für ihn nicht mehr bedeuten konnte als nur ein ›Fall‹ unter anderen Fällen.
    »Hatten Sie Dahlmann schon immer unter Verdacht?« fragte er heiser.
    »Ja.«
    »Und warum unternahmen Sie nichts?«
    »Ich wollte ihn in Freiheit beobachten. Sie sehen, daß es besser so war … nun hat sich alles aufgelöst ohne großen Wirbel. Ich nehme an, daß Monika Horten in aller Stille beerdigt wird, wenn die Leiche freigegeben wird.«
    »Natürlich –« Dr. Kutscher schluckte. Ein Kloß saß ihm in der Kehle. »Ich begreife nur nicht, wie Dahlmann so etwas … Ich kenne ihn ja seit Jahren. Er war in Wirklichkeit ein Feigling.«
    »Vielleicht war das ein wirklicher Unfall.« Der dicke Faber sah wieder an die Decke. »Hat ein zu großes Quantum gespritzt, oder Monika reagierte auf das Morphin übersensibel. Für uns ist das nun gleichgültig … der Mörder ist selbst tot, die Akten werden geschlossen. Überhaupt, wie ist das nun: Ist Luise Dahlmann blind oder nicht?«
    »Sie kann sehen, muß aber blind sein.«
    Kommissar Faber starrte Dr. Kutscher mit gesenktem Kopf an.
    »Doktor, machen Sie mit mir keine faulen Witze.«
    »Luise Dahlmann war blind, wurde geheilt, spielte die Blinde, überanstrengte damit ihre Augen und muß nun für eine bestimmte Zeit freiwillig wieder blind sein, damit sich die Sehnerven beruhigen –«
    »Und das soll ich Ihnen glauben?«
    »Es ist die Wahrheit.«
    »Wenn das in einem Roman stünde, würde man sagen: Der Autor hat seine Phantasie nicht im Zügel. Sie wollen mir also einreden, daß Luise Dahlmann die ganze Zeit über gesehen hat, während wir alle, einschließlich ihr Mann, glaubten, sie sei blind?«
    »Genauso ist es.«
    »Diese Frau muß Nerven wie Stahlseile haben!« rief der dicke Faber.
    »Leider nicht. Jetzt, wo alles überstanden ist, ist auch sie am Ende. Und wenn Sie fragen, wie sie das überhaupt durchgehalten hat … es gibt darauf nur eine einzige Antwort: Die Kräfte einer Frau, aus deren Liebe Haß wurde, sind unbegreifbar. Gerade Sie im Morddezernat müssen es doch immer wieder sehen –«
    »Das stimmt.« Der dicke Faber seufzte. »Was aus so einer Rippe, die man uns klaute, alles werden kann –« Er stand auf und reckte sich. »So, und nun muß ich noch einen entlassen.«
    »Entlassen?«
    »Den jungen Dichterling Julius Salzer.«
    Dr. Kutscher wischte sich über die Augen. »Verzeihen Sie«, sagte er schwach. »Natürlich, der sitzt ja noch immer. Ich habe gestern einen Haftprüfungstermin beantragt … ich habe ihn ganz vergessen, diesen Salzer.«
    Der dicke Faber winkte ab.
    »Das nimmt er Ihnen gar nicht übel. Er fühlt sich wohl im Knast. Zum erstenmal seit zwei Jahren bekommt er drei Mahlzeiten am Tag, hat ein eigenes Zimmer, kann ungehindert dichten, niemand stört ihn, alle sind freundlich zu ihm … er wird enttäuscht sein, wieder hinaus ins feindliche Leben zu müssen. Der Junge ist tatsächlich zweihundert Jahre zu spät geboren worden. Er ist der letzte Frühromantiker.« Faber stellte seine Thermosflasche und die Riesentasse in das linke Schreibtischfach und schloß es ab, als verwahre er dort einen Schatz. »Kommen Sie mit, Doktor? Es wird nötig sein, den Jungen zu trösten … auch wegen Monika …«
    Dr. Kutscher nickte.
    Wie kann ich Luise das alles sagen, dachte er, als er hinter der wuchtigen Gestalt Fabers über den langen Flur des Präsidiums ging. Sie hat nicht mehr die Nerven und die Kraft, auch diesen letzten Schlag noch hinzunehmen –
    *
    Das Begräbnis Dahlmanns fand einen Tag vor der Beerdigung Monikas statt. Nur Dr. Kutscher und Kommissar Faber begleiteten den Sarg. Unbemerkt von den anderen Friedhofsbesuchern wurde er in die Grube hinabgelassen und zugeschüttet. Der Pfarrer, der am Grab stand, sprach ein paar Worte von Schuld und Sühne und von der Gnade Gottes, die auch dem Sünder zuteil wird, weil wir allesamt Sünder seien, der eine mehr, der andere weniger. Dann betete er um die Gnade des Herrn. Es war eine düstere Szene … drei schwarzgekleidete Männer umstanden die Grube, in die zwei stämmige Friedhofswärter den Sarg an breiten
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