Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice
Autoren: Neville Shute
Vom Netzwerk:
Sie sogar erst mit
vierzig Jahren an das Kapital heranlassen. Ich wendete mich dagegen, aber das
einzige, was ich erreichte, war eine Vorverlegung dieses Termins um fünf Jahre.
Der Sinn der Treuhänderschaft ist der: Die vom Erblasser, Ihrem Onkel,
ernannten Treuhänder, mein Associé Lester Robinson und ich, haben alles
daranzusetzen, daß das Kapital unversehrt bleibt, und es nach Ablauf der
gesetzten Frist dem Erben, also Ihnen, auszuhändigen.»
    «Aha! Onkel Douglas hatte Angst, ich
würde die Dreiundfünfzigtausend auf einen Hieb durchbringen!»
    «So ungefähr hat er es sich wohl
vorgestellt. Aber er hat Sie ja nicht gekannt; Sie dürfen es also nicht
persönlich nehmen. Er meinte nur, junge Frauen seien im allgemeinen weniger
geeignet als Männer, mit großen Summen umzugehen.»
    «Vielleicht hatte er recht», sagte sie
gelassen und dann: «Sie passen also auf das Geld auf, bis ich fünfunddreißig
bin, und inzwischen geben Sie mir die Zinsen? Neunhundert im Jahr?»
    «Wenn Sie wünschen, daß ich auch die
Einkommensteuer für Sie erledige, wird es ungefähr stimmen. Die Zahlungen
erfolgen nach Ihrem Wunsch monatlich oder vierteljährlich per Scheck.
Abrechnung halbjährlich.»
    «Was bekommen Sie denn für Ihre Arbeit,
Mr. Strachan?» fragte sie neugierig, und ich antwortete lächelnd: «Eine sehr
kluge Frage, Miss Paget! Die Antwort finden Sie im Testament unter Ziffer acht,
römisch eins. Wir sind berechtigt, für unsere Bemühungen einen prozentualen
Anteil vom Kapitalertrag zu erheben. Sollten Sie aber in irgendwelche
Schwierigkeiten geraten, so stehen wir Ihnen darüber hinaus gern zur Verfügung.
Für solche Fälle ist unsere Vergütung durch die Gebührenordnung geregelt.»
    «Da kann ich mir gar nichts Besseres
wünschen!» rief sie, warf mir einen schalkhaften Seitenblick zu und bemerkte:
«Ich habe mich über Ihre Firma erkundigt.»
    «Oh... Hoffentlich waren die Auskünfte
einigermaßen zufriedenstellend?»
    «Sehr!» Sie sagte mir damals nicht, was
sie mir später einmal erzählte: Ihr Gewährsmann habe erklärt, wir seien so
solide wie die Bank von England und so zäh wie Schweinsleder.
    «Mr. Strachan, ich weiß mich in guten
Händen.»
    Ich neigte dankend das Haupt. «Ich
hoffe es, Miss Paget, und fürchte nur, Sie werden unsere Treuhänderschaft
trotzdem zuweilen als lästig empfinden. Seien Sie versichert, ich werde mein Möglichstes
tun, dies zu vermeiden. Aus dem Testament ersehen Sie, daß der Erblasser seinen
Treuhändern die Vollmacht erteilt hat, zugunsten des testamentarisch Bedachten
Kapital in den Fällen flüssig zu machen, in denen sie davon überzeugt sind, daß
es ihrem Schützling tatsächlich nützt.»
    «Sie meinen: wenn ich unbedingt
plötzlich viel Geld brauche — für eine Operation oder so etwas?»
    Sie faßte rasch auf, die junge Dame!
«Ein ausgezeichnet gewähltes Beispiel!» lobte ich sie. «In Krankheitsfällen,
sofern die Zinsen nicht reichen, darf ich gewiß zu Ihrem eigenen Besten das
Kapital angreifen.»
    «Das ist ja beinahe, als hätte ich am
Chancery Lane eine Leibwache!» rief sie lächelnd.
    Ich war von dem Vergleich gerührt und
sagte: «Ich fühle mich sehr geehrt, wenn Sie es so betrachten, Miss Paget. Es
ist unvermeidlich, daß dieses Testament in Ihrem Leben eine völlige Umwälzung
hervorruft. Wenn ich Ihnen in der Übergangszeit irgendwie behilflich sein kann,
wird es mir ein Vergnügen sein.» Damit reichte ich ihr die Kopie: «Hier ist der
Letzte Wille. Nehmen Sie ihn mit und lesen Sie ihn in Ruhe durch! Ihre Urkunden
behalte ich vorläufig in Verwahrung. Wenn Sie das Ganze überschlafen haben,
werden Sie mich gewiß noch eine Menge fragen wollen. Vielleicht möchten Sie
mich einmal aufsuchen?»
    «Ja, das möchte ich», antwortete sie
rasch. «Ich weiß schon jetzt, daß es da noch viele Fragen gibt; sie fallen mir
im Augenblick bloß nicht ein. Es kommt alles so plötzlich.»
    Ich blätterte in meinem Terminkalender.
«Sagen wir also Mitte nächster Woche? Ach so, Sie müssen ja arbeiten! Wann
schließt Ihr Büro?»
    «Um fünf.»
    «Also, dann Mittwoch um sechs, ja? Bis
dahin habe ich hoffentlich Näheres über Ihren Bruder ermittelt.»
    Sie sagte: «Ich komme natürlich sehr
gern, Mr. Strachan, aber ist es für Sie nicht zu spät? Sie wollen doch sicher
nach Hause?»
    «Ich gehe nur in den Klub», sagte ich
in Gedanken verloren. Mittwoch um sechs paßt mir sehr gut», schrieb ich auf
meinen Notizblock und meinte dann zögernd: «Wenn Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher