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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice
Autoren: Neville Shute
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Danach
hätten Sie freie Verfügung über das Ganze.»
    «Wieviel hat Onkel Douglas
hinterlassen?»
    Ich beugte mich über einen vor mir
liegenden Zettel. Mein Blick lief die Zahlenkolonnen hinunter zur Endsumme, und
ich antwortete bedächtig:
    «Nach Abzug der Legate, Gebühren und
Steuern präsentiert die verbleibende Erbmasse einen Wert von zirka
dreiundfünfzigtausend Pfund Sterling.»
    Sie sah mich groß an.
«Dreiundfünfzigtausend Pfund?»
    «Das dürfte ungefähr dem Betrag
entsprechen.»
    «Wieviel wirft so ein Kapital im Jahr
ab, Mr. Strachan?»
    Ich zog wieder den Zettel zu Rat.
    «In mündelsicheren Papieren angelegt,
wie es gegenwärtig der Fall ist — jährlich ungefähr fünfzehnhundertfünfzig
Pfund brutto; die Einkommensteuer geht davon ab, so daß Sie im Jahr etwa
neunhundert Pfund zur freien Verfügung hätten, Miss Paget.»
    «Oh...» Sie starrte stumm auf die
Tischplatte. Dann blickte sie auf, sah mich an und lächelte. «Da muß man sich
erst daran gewöhnen... Ich meine, ich habe mir bisher meinen Lebensunterhalt
selbst verdient, Mr. Strachan, und hätte nie gedacht, es könne einmal anders
kommen, außer ich heirate, und dann muß man ja auch arbeiten, nur anders. Aber
das», sie deutete auf den Zettel, «das heißt doch: ich brauche nie mehr zu
arbeiten, außer ich habe Lust dazu.»
    Sie hatte den Nagel aut den Kopf
getroffen, und ich antwortete: «Gewiß, Miss Paget, Sie brauchen nur noch zu
arbeiten, wozu Sie Lust haben.»
    «Ich weiß aber nicht, was ich arbeiten
soll, wenn ich nicht mehr ins Büro gehe. Ich kann nichts anderes.»
    «Dann sollten Sie weiter in Ihr Büro
gehen», bemerkte ich, und sie seufzte: «Mir bleibt wohl weiter nichts übrig.»
    Ich lehnte mich wieder im Sessel
zurück. «Miss Paget», sagte ich, «ich bin ein alter Mann. Ich habe in meinem
Leben manchen Fehler begangen, aber aus allen habe ich gelernt: man soll nie
etwas überstürzen. Ich sehe, daß dieses Vermächtnis Ihre Situation von Grund
auf verändert. Aber wenn Sie meinen Rat hören wollen: Ich an Ihrer Stelle würde
vorläufig ruhig weiter arbeiten wie bisher. Vor allem sollten Sie keinem
Menschen von Ihrer Erbschaft erzählen. Erstens einmal kann es noch Monate
dauern, bis Sie auch nur in den Genuß des Kapitalertrages kommen. Zunächst muß
der rechtsgültige Beweis für das Ableben Ihres Bruders erbracht sein; dann
brauchen wir die Bestätigung aus Schottland; wir müssen auch einige der
Effekten verkaufen, um die Gebühren und Steuern zu zahlen — sagen Sie: Was
arbeiten Sie eigentlich bei Peck & Levy?»
    «Ich bin Stenotypistin und
augenblicklich die Sekretärin von Mr. Peck.»
    «Wo wohnen Sie?»
    «Ich habe ein Wohnschlafzimmer an der
Campion Road 43 in Ealing. Die Gegend ist angenehm. Ich esse häufig im
Restaurant. ‹Lyons› ist gleich um die Ecke.»
    «Haben Sie viele Bekannte in Ealing?»
fragte ich nach kurzem Nachsinnen, «seit wann wohnen Sie dort?», und sie
antwortete, sie kenne nur ein paar Familien, deren Töchter mit ihr in derselben
Firma tätig seien. «Ich bin jetzt zwei Jahre dort, seit meiner Rückkehr aus
Malaya. In England fand ich dann die Stelle bei Peck & Levy.»
    Ich hatte mir ihre Privatadresse
notiert, riet der Erbin Macfaddens nochmals, sie solle ihre Stellung nicht
aufgeben, und versprach, mich sogleich am kommenden Montag im Kriegsministerium
zu erkundigen, wie ich am sichersten Nachricht über den Tod ihres Bruders
erhalten könnte. Auf meine Bitte nannte sie mir noch Donalds Truppenteil und
Erkennungsnummer. Beides schrieb ich mir auf.
    «Sobald ich die Bestätigung habe,
reiche ich das Testament zur Genehmigung ein. Im selben Augenblick beginnt auch
die Treuhänderschaft, die im Jahre 1956 automatisch erlischt. Und dann sind Sie
alleiniger Herr über Ihr Erbe.»
    Sie blickte auf. «Wie ist das mit
dieser Treuhänderschaft?» fragte sie. «Ich verstehe leider gar nichts von
Jurisprudenz.»
    «Sehr natürlich, Miss Paget. In der
Kopie, die ich Ihnen noch geben werde, ist alles niedergelegt, allerdings nur
juristisch. Dahinter steckt folgendes: Ihr lieber Onkel hat das weibliche
Finanztalent sehr niedrig eingeschätzt. Er war der Ansicht, eine junge Frau
könne nicht mit Geld umgehen und lasse sich leicht übers Ohr hauen. Ich
wiederhole Ihnen dies ungern, entschuldigen Sie vielmals, aber ich halte es für
gut, wenn Sie im Bilde sind.»
    Sie lachte. «Oh, Sie brauchen sich gar
nicht für Onkel Douglas zu entschuldigen, Mr. Strachan. Nur weiter!»
    «Zuerst wollte er
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