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Eine Socke voller Liebe

Eine Socke voller Liebe

Titel: Eine Socke voller Liebe
Autoren: Monika Beer
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Vormittag
zusammen eine Wanderung ans Ende der Welt planen, um wenigstens den Felsen
gesehen zu haben; denn am Nachmittag müssen wir mit dem Bus zurück nach
Santiago.“
    Der Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung.
    Das Restaurant war jetzt dicht besetzt mit Pilgern, die statt
auf den Felsen des Cabo den Abend hier verbringen mussten.
    Um ihre Gäste aufzuheitern, veranstaltete die Wirtin eine Art
Wunschkonzert, bei dem Musikwünsche geäußert werden durften, die der
jugendliche DJ zu erfüllen versuchte.
    So wurde bald gesungen und im dichten Gedränge getanzt. Eine
Unterhaltung am Tisch war bei der lauten Musik jedoch schwierig geworden und
musste sich deshalb auf die Pausen beschränken.
    Andrea war jetzt ganz entspannt und trällerte vergnügt den
Refrain eines Schlagers mit. Als sie merkte, dass Michael sie beobachtete,
erwiderte sie seinen Blick mit einem vielversprechenden Lächeln.
    Wie zu einem stummen Zwiegespräch trafen sich ihre Blicke
immer wieder. Seine soeben noch belustigt blitzenden Augen bekamen einen warmen
Glanz, und sie spürte den Wunsch, ihn genauso zu bezaubern.
    Eine wohlige Vertrautheit machte sich in ihr breit. Wie ein
warmer Strom floss das Glücksgefühl durch ihren Körper. Sie spürte, dass sie
mit ihrer Sehnsucht nicht mehr allein war.
    Das Gewitter hatte sich verzogen und einer der Gäste öffnete
die Terrassentür. Kühle Nachtluft strömte in den Gastraum.
    „Ich muss unbedingt etwas frische Luft schnuppern“, sagte
Andrea, stand auf und schritt bewusst langsam nach draußen.
    Sie spürte Michaels Blicke in ihrem Rücken.
    Von hier draußen konnte sie die kleinen Fischerboote
beobachten, die im Licht der Laternen hin und her schaukelten. Selbst in dem
geschützten Hafenbecken war das Wasser noch aufgewühlt. Die starken Wellen
brachen sich immer wieder an der Kaimauer, und die Taue der kleinen Schiffe
schlugen im Takt gegen die Masten.
    Die Luft war feucht vom Regen.
    Andrea liebte das Meer, den tranigen Geruch nach Fisch und
das Salz auf den Lippen. Ihr Herz schlug jetzt ruhig und gleichmäßig, und sie
genoss den stillen Moment, abgewandt von der lauten Musik und dem lachenden
Geschwätz der Gäste. Nach einer Weile wurde es auch drinnen leiser, und die
gefühlvolle Melodie eines französischen Chansons drang zu ihr nach draußen.
    „La Mer“, eine Liebeserklärung an das Meer, ein Lied über die
Sehnsucht, die Freiheit und das Glück.
    Michael kam auf die Terrasse und stellte sich hinter sie. Sie
spürte seinen warmen Körper. Seine Hände umfassten behutsam ihre Schultern und
seine Arme zogen sie an sich.
    „Liebst du auch das Meer?“, fragte er leise.
    „Ja, sehr“, flüsterte sie glücklich und lehnte sich an ihn.
    38. Traum
der Liebenden
    Im Viertelstundentakt hörte Sabine die Glocken von Santiagos
Kirchtürmen schlagen. Es war Nacht. Sie lag wach auf den hübschen weißen Kissen
und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Andrea atmete ruhig und gleichmäßig neben
ihr.
    Sie blickte in das entspannte Gesicht der schlafenden
Freundin und glaubte, ein glückliches Lächeln über ihr Gesicht huschen zu
sehen. Bestimmt träumte sie von Michael. Auch Sabine musste lächeln, als sie
das dachte.
    Heute Morgen hatten sie alle zusammen unter einem
wolkenverhangenen Himmel am Cabo Finisterre gestanden und vergeblich versucht,
mit ihren Augen den dichten Nieselregen zu durchdringen. Sie konnten das Meer
hören, aber nicht sehen.
    Jeder von ihnen hatte sich einen Platz auf dem Felsvorsprung
gesucht, um in die Tiefe zu schauen, wo sich riesige Wellen auftürmten und an
den Klippen zerbarsten. Die weiße Gischt spritzte hoch und kleine
Schaumflöckchen segelten langsam durch die Luft.
    Lange Zeit hatten sie so im feuchten Nebel verbracht und
waren jedem Sonnenstrahl dankbar gewesen, der sich durch die dicke Wolkendecke
bohrte und ihnen einen kleinen Ausschnitt auf das tosende Meer erlaubte, das
mit unendlicher Ausdauer und Kraft immer wieder die schäumenden Wellen
zurückholte und in sich aufnahm.
    Es ist schon seltsam, dass der Anfang und das Ende unserer
Pilgerreise im Nieselregen verschwunden sind, dachte Sabine. Erst der nebelige
Aufstieg über den Pyrenäenpass und jetzt das undurchsichtige „Ende der Welt“.
    Vielleicht soll das eine Botschaft für mich sein?
    Ein Hinweis darauf, dass ich auch im Leben nicht alles
erkennen kann? Eine Erinnerung daran, dass ich Gott vertrauen soll? Dass auch
die Dinge, die ich nicht sehen und beeinflussen kann, ihren Weg finden,
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