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Eine riskante Affäre (German Edition)

Eine riskante Affäre (German Edition)

Titel: Eine riskante Affäre (German Edition)
Autoren: Joanna Bourne
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aufbewahrte, fauchte wie eine Straßenkatze und scharrte ihre Armreife und Goldketten wieder zu einem Haufen zusammen. Das Frettchen hatte sich ein Band geschnappt und war zu sehr mit seiner Beute beschäftigt, um Sebastian zu beißen. Er brachte das Seidenband vor den spitzen weißen Zähnchen in Sicherheit.
    An dem schmalen blauen Band hing eine goldene Münze.
    Nein, keine Münze. Er hielt ein flaches Goldmedaillon in der Hand, das ganz glatt gescheuert war und daher sanft glänzte. Er öffnete es mit dem Daumennagel. Im Innern enthielt es eine feine, makellose Prägung. Eine Blume.
    »Das gehört Jess«, erklärte er.
    Lazarus nahm es an sich. »Sie haben recht. Das trägt Jess. Wer hat es mitgebracht?«
    Jess lag auf der Seite in ihrer engen Zelle. Wenn sie sich ganz ruhig verhielt, würden die Ratten vielleicht nicht kommen. Aber diese Nager rochen einen. Selbst wenn man den Atem anhielt, konnten sie einen riechen und finden.
    Ich kann nicht raus.
    Albtraum … Sie war in einem Albtraum gefangen. Nun war sie wieder ein Kind wie damals, als sie das letzte Mal auf den Dächern gewesen war – als sie abgestürzt war. Das morsche Holz hatte nicht gehalten. Um sie herum brach der Luftschacht in dem alten Lagerhaus zusammen, und niemand kam. Niemand wusste, wo sie war. Niemand konnte sie hören.
    Ich kann nicht raus . Steine, Holz und Putz prasselten auf sie herab und nagelten sie regelrecht fest, begruben sie bei lebendigem Leibe.
    Sie bekam einen gewaltigen Durst. Als sie nicht mehr schreien konnte, gab sie nur noch einen Laut von sich, als würde Luft aus einem Beutel gequetscht. Dann kamen die Ratten.
    »Du kannst mich nicht haben«, sagte sie einer Ratte nach der anderen. Das sagte sie auch der Dunkelheit, Stunde um Stunde. Sie sagte zu ihr: »Lass mich in Ruhe.« Die Ratten hörten gar nicht zu. Bald klebten ihre Hände vor Blut, weil sie versuchte, sie abzuwehren.
    Hinter ihr, auf der anderen Seite der Planken, lag die Themse. Er war dunkel wie Blut, dieser Fluss. Alte Träume krochen aus ihm hervor und saugten an ihr. Die schlimmsten Träume. Sie wusste, wie sie endeten, und konnte ihnen doch nicht entfliehen.
    Der Geruch von zerschmettertem Holz, Putz und Schimmel erfüllte ihre Lungen. Sie war so durstig und konnte nicht raus.
    Die Dunkelheit siegte. Jess gab auf und erinnerte sich nicht mal daran.
    Sie hatte den Kampf längst aufgegeben, als Lazarus zu ihr gekrochen kam, sie aufweckte und herauszog. Er tat ihr weh. Als er sie ausgrub, schwappte der Schmerz immer wieder rot und schwarz über sie hinweg. Die Dunkelheit versuchte, auch ihn zu holen. Hölzer stürzten ein. Lazarus beschützte sie mit seinem Körper vor den herabstürzenden Ziegeln. Während Schmerz um Schmerz auf sie eindrang, stieß, zog und trug Lazarus sie durch die Dunkelheit.
    »Halte durch, Jessie! Noch ein Mal Zähne zusammenbeißen, und wir sind draußen.«
    Dann waren sie in der Absteige. Im Traum hörte sie sich sagen: »Mir ist kalt.«
    »Gleich wird dir warm sein.« Lazarus drückte sie in einer Decke an seine Brust. Er ging ihr mit einem Becher auf die Nerven. »Trink das!«
    Das war ein Befehl. Sie versuchte, zu gehorchen und den Mund zu öffnen. »Will nicht. Möchte schlafen.«
    »Du darfst nicht eher schlafen, als bis du das getrunken hast, Jess.«
    Also versuchte sie es. Sie konnte ihre Lippen nicht dazu bringen, sich zu bewegen.
    »Hier ist der Mann, der deinen Arm richten wird. Du trinkst diesen Becher aus, und dann schläfst du.« Schicht für Schicht legte sich die Dunkelheit über sie, begrub sie. »Wenn du aufwachst, ist es vorbei.«
    Kalte Finger schlossen sich um ihren Arm. Forschende Finger, die wie kleine, boshafte Eiszapfen waren.
    »Tut weh. Tut so weh … «
    Männer flüsterten miteinander. Weitere Hände kamen, um sie stillzuhalten. Höllenqualen trafen sie wie ein schwarzer Blitz. Sie schrie auf und stürzte in die Dunkelheit.
    In der anschließenden Leere sagte Lazarus: »Weine ruhig, Jess. Das ist in Ordnung. Außer mir und Black John ist hier niemand, der dich sehen kann. Nur deine Freunde, sonst niemand.«
    Unzählige Albträume versteckten sich in ihr und warteten nur darauf hervorzubrechen. Sie waren hier bei ihr in der Dunkelheit, die voller wispernder Stimmen war.
    Man kann immer etwas tun.
    Zitternd stemmte sie sich in gebeugter Haltung auf die Beine hoch. Hier drinnen war nicht viel Platz. Das Holz war klamm und glitschig.
    In ihrem Kopf waren aber nicht nur Albträume. Es gab auch gute Tage in
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