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Eine Messe für all die Toten

Eine Messe für all die Toten

Titel: Eine Messe für all die Toten
Autoren: Colin Dexter
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fuhr von Nord-Oxford in die Innenstadt. Eine
Stunde streifte er stillvergnügt durch das «Ashmolean» und stand viele Minuten
vor dem Giorgione und dem Tiepolo. Kurz vor zwölf ging er in die Bar des Randolph und bestellte eine Halbe. Dann noch eine. Um halb eins überquerte er den
Cornmarket und betrat St. Frideswide’s. Die Tür des Nordportals knarrte nicht
mehr, aber in der Kirche rührte sich nichts, nur die Kerzen vor dem Marienbild
flackerten. Die Frau, die er suchte, war nicht da. Wie schon einmal beschloß
er, zu Fuß nach Nord-Oxford zurückzugehen, allerdings erlebte er an der
Kreuzung Marston Ferry diesmal keinen Unfall. In Summertown kehrte er im Dew
Drop ein und genehmigte sich noch zwei Halbe. In dem Gebäude des
Teppichgeschäfts, von dem aus Brenda Josephs ihren Mann beobachtet hatte, saß
jetzt eine Versicherungsgesellschaft, aber ansonsten hatte sich offenbar wenig
geändert. In der Manning Terrace blieb Morse ein, zwei Sekunden an einem
bestimmten Punkt stehen, dann ging er weiter. Vor Nummer 14 A machte er halt
und klopfte.
    «Sie!»
    «Ich habe gehört, daß Sie wieder da sind.»
    «Kommen Sie doch herein. Sie sind mein erster
Besucher.»
    «Nein, danke. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß
ich viel an Sie gedacht habe, während — während Sie weg waren. Sie würden rot
werden, wenn Sie wüßten, was sich in meinen Träumen getan hat.»
    «Bestimmt nicht.»
    «Sie dürfen mich nicht zu ernst nehmen, ich hab
zuviel Bier intus.»
    «Bitte kommen Sie herein.»
    «Ihre Mutter ist da.»
    «Willst du mit mir schlafen?» Ihre großen Augen
hielten die seinen fest.
    «Darf ich wohl mal eben verschwinden?»
    «Ja, komm mit nach oben, Augenblick.»
    Sie war gleich wieder da, einen
Sicherheitsschlüssel mit einem Schildchen «14 B» in der Hand.
    «Willst du deiner Mutter nicht sagen —»
    «Nein, warum?»
    Leise lächelnd schloß sie die Tür von 14 A und
steckte den Schlüssel in die Tür von 14 B.
    Sein Blick folgte ihren schlanken Fesseln, als
sie vor ihm die teppichbelegte Treppe hinaufging.
    «Schlafzimmer oder Wohnzimmer?»
    «Zuerst ein bißchen ins Wohnzimmer», sagte
Morse.
    «Ich habe Whisky da. Willst du was trinken?»
    «Ich will dich.»
    «Und du kannst mich haben, das weißt du doch.»
    Morse nahm sie in die Arme und küßte sie
zärtlich auf die weichen, vollen Lippen. Dann, als sei das zuviel an Glück, zog
er sie eng an sich und legte seine Wange an die ihre.
    «Ich hab auch von dir geträumt», flüsterte sie
ihm ins Ohr.
    «War ich brav?»
    «Leider ja. Aber jetzt wirst du nicht brav sein,
oder?»
    «Natürlich nicht.»
    «Wie heißt du eigentlich mit Vornamen?» fragte
Ruth.
    «Sag ich dir hinterher.»
    Seine Finger verweilten einen Augenblick leicht
auf dem Rückenreißverschluß des bunt gemusterten Sommerkleides.

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