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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe
Autoren: Pearl S. Buck
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plötzlich in den Sinn, daß er hier sein Bild hatte. Warum nicht? Hier in dieser dunklen, alten Küche mit dem großen geschwärzten Kamin und dem Herd als Hintergrund bot sich ihm ein Interieur, das in seinem Hell und Dunkel an die holländischen Meister erinnerte und dem er gleichwohl die besondere dreidimensionale Tiefe verleihen konnte, die er als eigene Technik zu entwickeln anfing und von der die Kritik bereits sagte, sie sei sein besonderer Beitrag zur amerikanischen Malerei. Er verabscheute die landläufig hübschen Mädchen, von denen seine Umgebung erfüllt schien; dieses Gesicht aber war in seiner Schönheit keineswegs landläufig. Es lag Festigkeit in der Art, wie die roten Lippen sich aufeinanderpreßten, und eine klare, warme Entschlossenheit strahlte aus den ruhigen blauen Augen. Die Harmonie der runden, rosigen Wangen, des weichen, vollen Kinns, der breiten Stirne und der geraden Nase war in sich vollkommen, und obwohl die Züge nichts Außergewöhnliches enthielten, zeigten sie doch Charakter. Er faßte einen seiner ungestümen Entschlüsse.
    »Ich würde Sie gerne malen«, sagte er mit Wärme und lehnte sich zu ihr über den Tisch.
    Alle blickten ihn erschrocken an. Harnsbarger legte das Hühnerbein hin.
    »Ich möchte das Bild hier in der Küche machen«, fuhr William fort.
    »In der Küche!« rief das Mädchen.
    Es war gekränkt, das konnte er sehen, und er beeilte sich, seinen Plan näher zu erklären.
    »Es ist ein sehr malerischer Raum. Das Licht, das durch die kleinen Fenster hereinfallt, gibt gute Schatten, und da ist der dunkle Kamin, und Sie in Blau und Weiß …«
    »Sie wollen sie doch nicht in ihren alten Sachen malen?« fragte Frau Harnsbarger. Sie sprach zum erstenmal.
    »Ich kann mir nichts Besseres vorstellen«, entgegnete William. Er bemerkte, daß sie von Zweifeln erfüllt und zugleich geschmeichelt waren. Er überredete sie, weil sein Wunsch, das Bild zu malen, mit jedem Augenblick größer wurde.
    »Bitte!« drängte er. »Ich habe mich überall vergeblich nach einem Motiv umgesehen, und hier finde ich es endlich. Ich werde Sie nicht stören – nicht sehr. Ich werde Sie malen, während Sie arbeiten.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das mag«, erwiderte Ruth zweiflerisch.
    »Dann sagen Sie mir nur, wie Sie es gerne hätten«, schlug William eifrig vor.
    Er sprang auf und stieß ein schweres, altes Tischchen ans Fenster neben dem Kamin.
    »Da, Sie könnten hier stehen und Blumen in eine Vase tun – nein, Sie müssen Brot schneiden!«
    Sie zögerte ein wenig; das gefiel ihr, aber sie sah von ihrem Vater zu ihrer Mutter.
    »Mir ist's gleich«, erklärte ihr Vater mit seiner lauten Stimme. »Man lasse den Weibern ihren Willen, das ist mein Wahlspruch. Ich muß jetzt aufs Feld. Also auf Wiedersehn!«
    »Auf Wiedersehen«, gab William erfreut zurück. Die Frauen konnte er überreden. »Schauen Sie, so.« Er faßte das Mädchen an seinem runden bloßen Arm und führte es sanft zu dem Tischchen. »So«, sagte er und gab ihm mit schnellen Berührungen der Schultern, des Kopfes, der Hände die richtige Stellung.
    Vom Eßtisch aus starrte Frau Harnsbarger ihn sprachlos an. Aber er gewahrte sie nicht. Er bemerkte etwas in den Augen des Mädchens, eine schüchterne, aufdämmernde Verlegenheit, die sie feucht machte, ihren holden Mund krümmte und ihre Lippen zittern ließ.
    »Oh, du – du süßes Ding!« flüsterte er. Er eilte zur Türe, holte Malkasten und Staffelei herbei und stellte den Keilrahmen mit der Leinwand auf. »Bewegen Sie sich nicht!« bat er. »Bleiben Sie so!« Und er fing an zu malen.
    Plötzlich bemerkte er mit Unwillen, daß es in der Küche dämmrig zu werden begann. Er hatte den ganzen Nachmittag hindurch gemalt, alles vergessend, auch das Mädchen, das ihm Modell stand. Zweimal war Frau Harnsbarger zur Türe gekommen, hatte hereingeblickt und war wieder gegangen. Er hatte nicht mit ihr geredet. Jetzt aber gebot ihm das Verblassen der Farben im Zwielicht Einhalt. Er legte den Pinsel nieder und erinnerte sich des Mädchens.
    »Oh, wie rücksichtslos von mir!« rief er. Er sah jetzt, wie Ruth immer noch geduldig in der gleichen Stellung stillhielt. »Sie müssen ja ganz müde sein!«
    Sie bewegte sich. »Man sollte meinen, daß man nicht müde wird, wenn man nichts tut«, murmelte sie.
    Abwartend stand sie da; sie wußte nicht, was als nächstes kommen würde.
    »Oh, es ist sehr ermüdend, nichts zu tun«, versetzte er rasch. Er betrachtete seine Leinwand und prüfte
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