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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe
Autoren: Pearl S. Buck
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Mutter hob die Augen nicht von der langen Nadel, die durch die Fäden auf und nieder glitt.
    Und dann, als es beinahe schon dämmerte, sah sie ihn; barhäuptig, die Hände in den Hosentaschen, kam er den Weg herunter auf die Türe zu.
    »Hier bin ich!« rief sie.
    Beim Klang ihrer Stimme wandte er den Kopf, gewahrte sie und ging zu ihr hinüber.
    »Ich dachte, Sie würden gar nicht mehr kommen«, sagte sie.
    Das Fett war heiß in dem großen Eisentopf, der über dem Feuer hing. Sie hatte die Lauge abgemessen und hinzugefügt, und nun rührte sie die Mischung mit einem löffelförmigen Stock. Er sah ihr zu.
    »Was machen Sie da?«
    »Seife.«
    Sie rührte langsam und merkte, wie die Mischung sich allmählich verdickte.
    »Ich hatte gedacht, Sie würden früher kommen«, sagte sie und blickte zu ihm auf. Er hatte seinen Malkasten nicht bei sich! »Wo haben Sie denn Ihr Malzeug?«
    »Ich hab's nicht mitgenommen.«
    »Aber … möchten Sie nicht … wollen Sie das Bild denn nicht fertig machen?«
    »Ich hatte heute keine Lust zu arbeiten.«
    Sie war zornig auf ihn, und sie versuchte nicht, den Zorn zu begreifen. »Nennen Sie das etwa Arbeit – Bilder malen?«
    »Im großen ganzen, ja«, antwortete er. »Wenigstens ist das meine Arbeit.«
    Sie durfte jetzt keinen Augenblick aufhören zu rühren, denn die Mischung war beinahe so weit, daß sie umgegossen werden mußte.
    »Ich bin an richtige Arbeit gewöhnt«, sagte sie kurz.
    »Was für welche zum Beispiel?« fragte er etwas finster.
    »Pflügen und melken. Die Scheune anstreichen.«
    »Setzen Sie meine Arbeit dem Anstreichen der Scheune gleich«, entgegnete er bitter.
    »Helfen Sie mir den Topf vom Feuer nehmen«, sagte sie. »Ich muß das Zeug umgießen.«
    Er trat neben sie und half ihr den dreibeinigen Topf von dem Gestell heben und auf den Boden setzen. Töpfe standen reihenweise bereit, und sie machte sich daran, die sauber riechende Flüssigkeit hineinzuschöpfen. Er sah ihr zu, und sie merkte, daß er dabei an etwas anderes dachte.
    »Wird das Zeug hart werden?« erkundigte er sich.
    »Wenn es abgekühlt ist«, antwortete sie.
    »Es riecht gut«, sagte er.
    »Nur wie Seife«, erwiderte sie.
    Sie hatte die Hälfte der Töpfe gefüllt, ehe er wieder sprach.
    »Natürlich werde ich das Bild fertig malen, Ruth.«
    Daraufhin hob sie die Augen. »Ich danke es Ihnen nicht, daß Sie mich beim Vornamen nennen, wenn ich nicht einmal weiß, wie Sie heißen.«
    Er lächelte leicht. »William.«
    »Und wie weiter?«
    »William Barton.«
    Sie bückte sich wieder. »Den Namen habe ich noch nie gehört.«
    Er freute sich insgeheim. Wenn seine Mutter das vernehmen könnte! »Warum hätten Sie ihn auch hören sollen?«
    »Aus gar keinem Grunde, scheint mir«, gab sie zu.
    Sie sagten nichts mehr, bis alle Töpfe gefüllt waren. Die Sonne schwebte in einem rötlichen Nebel dünner, niedriger Wolken am Horizont.
    »Weshalb sind Sie eigentlich gekommen, wenn Sie doch nicht malen wollten?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete er. »Vielleicht um mich zu überzeugen, ob Sie so hübsch sind, wie ich Sie gestern fand.«
    Ihre Lider zitterten, und sie errötete. »Ich wünschte, Sie würden nicht …«, murmelte sie.
    »Was?«
    »So daherreden …«
    Innerlich seufzte er ein wenig. Warum war er gekommen, wenn er doch wußte, daß es nicht der Arbeit galt?
    »Lassen Sie uns das Bild mal anschauen«, sagte er kurz angebunden.
    Er ging voraus. Es war Melkzeit, und er sah die Eltern des Mädchens im Stall beim Melken. Das Haus war leer, und er betrat den Salon, voller Ärger, weil er sich ihrer festen, leichten Schritte hinter ihm bewußt war. Er machte einen Fensterladen auf, und das Licht der untergehenden Sonne fiel auf sein Bild. Reine Freude überstürzte ihn und erfüllte ihn ganz. Er vergaß den langweiligen Tag, den er verbracht hatte, bis er sich entschloß, hierher zurückzukommen. Ja, der Tag war ihm durch Louise verdorben worden, die sich in sein Zimmer gestohlen hatte, ehe er aufgestanden war. Ihre kühle, schmale Hand, die seine Wange berührte, weckte ihn, und als er die Augen öffnete, sah er sie in ihrem Morgenrock aus kalter, blauer Seide vor sich stehen; ihre blonden Haare waren unter einem Spitzenhäubchen auf Lockenwicklern aufgerollt.
    »Sei nicht böse, William.«
    »Was ist los?«
    »William, ich wollte schon gestern abend mit dir reden, aber Mutter war so … William, willst du Monty und mir helfen?«
    »Wie … was … warte eine Minute!« Er hatte sich den
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