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Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Titel: Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)
Autoren: Margarete Mitscherlich
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geworden, seit ich etwas habe, dessen Leben mir wichtiger ist als das eigene. Es ist heilsam, ein anderes Wesen mehr zu lieben als sich selber. Väter empfinden das nicht so stark, weil ihnen das leibliche Band zu ihren Kindern fehlt. In diesem Punkt bedaure ich Männer.

    Ist die Fähigkeit, glücklich zu sein, eine Begabung, die man hat oder nicht?

    Die Gabe, Glück zu empfinden, hängt von der Beziehung zu unserer ersten Vertrauensperson ab. Insofern ist Glück Glückssache. Es kommt nicht so sehr darauf an, was wir erleben, sondern darauf, wie wir etwas erleben. Glück hängt von der Beschaffenheit unserer Gedanken ab, von unseren Voreinstellungen. Ich hatte eine sehr gute Beziehung zu meiner Mutter, deshalb war das Glas für mich immer eher halbvoll als halbleer.

    Die psychoanalytische Zunft behauptet, dass wir immer narzisstischer werden. Ruinieren wir damit die Köpfe unserer Kinder?

    Ein narzisstisch desorientierter Mensch braucht sein Kind nur, um sich selbst zu genießen. Wer um sich selbst kreist, kann nicht lieben, er wird erst melancholisch und dann unglücklich. So komisch es klingt: Zu lieben ist schöner als geliebt zu werden. Wer das nicht spürt, hat ein therapiebedürftiges Problem. Sich nicht mehr nur um sich selber zu sorgen ist ein großes Glücks- und Freiheitserlebnis.

    In der Bibel heißt es: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Lieben Sie sich?

    Ach, sich selber lieben – nein, eher nicht. Aber ich ertrage mich ganz gut und bin nicht mehr so erbarmungslos mit mir. Früher empfand ich eine gewisse Lust daran, mir Vorwürfe zu machen und mich mir selbst gegenüber als besonders erbärmlich darzustellen. Diese blödsinnigen Schuldgefühle habe ich nicht mehr. Das Angenehme am Alter ist, dass man zu wissen glaubt, wer man ist. Und man kapiert, dass die anderen genauso verrückt sind wie man selbst gelegentlich. Ich finde, zum kultivierten Leben gehört vor allem Selbsterkenntnis. Viele Menschen ahnen nicht, wie viel Kraft Verdrängen kostet und wie depressiv, abwehrend, bösartig und steril es einen machen kann.

    Sie haben jahrzehntelang unter Klaustrophobie gelitten. Wissen Sie, warum?

    Weil ich Angst vor meinen Ambivalenzen hatte. Ich dachte, ich dürfte meiner Mutter gegenüber nicht aggressiv sein, weil ich von ihr abhängig war und sie oft so traurig guckte. Ihre Traurigkeit konnte mich rasend machen. Wenn ich meine Mutter in die Luft sprengen wollte, sagte ich mir: ›Du darfst um Gottes willen deine Mutter nicht hassen, du liebst sie doch.‹ Wenn sie melancholisch wurde, weil sie nicht den Mann ihres Lebens geheiratet hatte, wurde sie, was die Psychoanalyse eine »tote Mutter« nennt. Sie spielte versunken Klavier, und ich saß unterm Flügel und weinte, weil ich wusste, sie wünscht sich ein anderes Leben. Ich hasste sie auch, weil sie mir keine sexuelle Lebendigkeit erlaubte.

    Eben sagten Sie noch, Sie hätten ein sehr gutes Verhältnis zu Ihrer Mutter gehabt.

    Im normalen Leben war sie eine denkbar herzliche, lebendige, gütige und auch witzige Person. Ich habe in meinen drei Analysen gelernt, mit meinen Ambivalenzen zu leben. Man kann einen Menschen zum Teufel wünschen und ihn gleichzeitig sehr, sehr lieben.

    Sie waren 27 Jahre lang mit dem 1982 verstorbenen Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich verheiratet, mit dem Sie Schlüsselwerke wie »Die Unfähigkeit zu trauern« geschrieben haben. Ihr Mann war ein Frauentyp. Waren Sie eifersüchtig?

    O ja, denn Alexander war durchaus verführbar. Ich habe lange unter meinen Ausbrüchen gelitten, weil sie mein eigenes Ich-Ideal zutiefst kränkten. Ich finde es auch nicht zu viel verlangt, die eigenen Triebgelüste in Schach zu halten. Wir sind schließlich keine Neandertaler mehr.

    Ihr Mann hat Ihren Sohn mal geohrfeigt. Ein Seelenarzt, der sein Kind schlägt: Das klingt wie ein zynischer Witz.

    Mein Mann hatte ohne Zweifel cholerische Reflexe. Er konnte durchaus jemandem eine Ohrfeige geben. Auch seine fünf Kinder aus früheren Ehen haben sich darüber beklagt. Mein Sohn Matthias wollte sich nicht waschen lassen und führte sich unglaublich auf. Da hat er ihm spontan eine geknallt. Ich dachte – und da sehen Sie meinen Narzissmus: Mein Kind schlägt man nicht! In dieser Situation habe ich Alexander ein Ultimatum gestellt: »Wenn du das Kind noch einmal schlägst, dann gehe ich!« Er hat es dann auch nie mehr getan.

    Sie sind seit 28 Jahren Witwe. Haben Sie sich nach dem Tod Ihres Mannes wieder verliebt?

    Ach Gott,
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