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Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Titel: Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)
Autoren: Margarete Mitscherlich
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mehr Herr meines Körpers, daran kann man sich schwer gewöhnen. Nun muss ich umso mehr Lust am Denken haben. Welche Entscheidungen haben mein Leben geprägt? Wie ist das mit Entscheidungen, zum Beispiel wenn ich zurückdenke, dass ich mit 14 von zu Hause wegkam, obwohl ich ein sehr an meine Mutter gebundenes Kind war.
    Nach Flensburg auf das Gymnasium zu gehen war entscheidend für mein Leben, denn dort habe ich eine ganz neue Sicht der Dinge durch die bereits erwähnten Lehrer und durch meine Freunde bekommen. Aber die Entscheidung hat eigentlich meine Mutter getroffen. »Du willst doch Abitur machen«, hat sie gesagt, und ich habe brav »Ja« geantwortet. Ich glaube, innerlich war es mir völlig wurscht, denn ich wollte nur bei meiner Mutter bleiben. Später war ich von der Schule begeistert und konnte mir nichts anderes vorstellen. Dann habe ich Abitur gemacht, wollte wie meine Mutter Lehrerin werden, Geschichte, Deutsch und Englisch studieren, aber der Lehrerberuf war so nazi-infiziert und nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich wollte nicht nur mehr über das Dänische, das Deutsche erfahren, sondern ich wollte auch wissen, wie der Engländer und der Franzose denkt und lebt. Also habe ich Medizin studiert, da musste man sehr viel lernen, und man war nicht von den Naziparolen abhängig – zumindest nicht in Bezug auf das Wissen über den menschlichen Körper.
    Ich frage mich, ob ich je wirklich eigene Entscheidungen getroffen habe. Man wird hineinmanövriert in so eine Entscheidung. Medizin, das war down to earth, einfach realistisch. Ich war nie ein romantischer Mensch in dem idealistischen Sinne. Ich konnte ja auch Hitler nicht idealisieren, dagegen war ich absolut gefeit. Mein Gefühl für Realität, für Wirklichkeit = Wahrheit, war sehr unmittelbar, fast genetisch entwickelt. Das war nicht mein Verdienst, das Gefühl war immer da, solange ich denken kann. Ich habe sehr gern mit Menschen zusammengearbeitet. Ich hatte ein Gefühl für die Diagnostik und merkte früh, wie viele psychische Komponenten eine Rolle spielen. Das Interesse an den Menschen, deren Psychologie und körperliche Befindlichkeit, war immer groß, nur das Interesse an dem naturwissenschaftlichen Wissen, das der Medizin ja auch zugrunde liegt, war nie sehr entwickelt.
    Dann wollte ich aus Dänemark weggehen, weil ich einen Freund hatte, mit dem es absolut nicht mehr ging, der psychisch wirklich krank wurde. Er war ein großer Antinazi mit einem Hass auf Hitler. Als er die Nazis nicht mehr hassen konnte, fing er an, andere zu hassen.
    Durch eine jüdische Freundin bekam ich eine Stelle in der Schweiz bei Dornach und die habe ich begierig angetreten, weil mich die anthroposophische Medizin interessierte. Mein Freund konnte nicht mitkommen, er war deutscher Staatsangehöriger, und um 1947 durch Deutschland fahren zu können und um in die Schweiz zu gelangen, musste man von jeder Besatzungszone einen Stempel haben, zuerst von Dänemark, dann von den Engländern, den Amerikanern und den Franzosen. Er bekam keinen, weil er deutscher Staatsangehöriger war. Da war ich dann froh, von ihm wegzukommen und in der Schweiz etwas zu machen, das mich wirklich interessierte.
    Ich gebe zu, die Anthroposophie war mir dann doch zu realitätsfern. Da lernte ich Alexander Mitscherlich kennen, und damit fing die Beziehung zur Psychoanalyse an. Alexander Mitscherlich war jemand, in den ich mich sofort verliebte, das war kein Wunder: Er war gebildet, ein wirklich kultivierter Mensch und ein physisch anziehender Mensch. Er ließ mir mit Vergnügen die Freiheit, die ich brauchte. Außerdem vertrat er die Wissenschaft, die nun wirklich unmittelbar in mein Leben passte: meine Lust an der Literatur, an der Psychologie, am Menschen. Sie war genau das, was das Gebiet in meiner Seele betraf, auf das ich mich eigentlich schon immer begeben wollte, von den Anfängen der Märchen, die ich gelesen hatte, bis zu den psychologischen Romanen, bis zur inneren Medizin, bis zum Umgang mit Menschen. Wenn die Psychoanalyse nicht gewesen wäre, wären wir sicher nicht zusammengeblieben, denn Alexander war zum zweiten Mal verheiratet und hatte Kinder. Es gab eigentlich keinen Grund, sich noch einmal scheiden zu lassen.
    Ich war dann zuerst in Stuttgart tätig, dort habe ich noch eine Analyse gemacht, dann kam ich nach Heidelberg in die Klinik von meinem Mann. Wir waren nicht verheiratet, und es wusste niemand, dass wir liiert waren. In Stuttgart hatte ich mit meinem Sohn und
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