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Eine Leiche zu Ferragosto

Eine Leiche zu Ferragosto

Titel: Eine Leiche zu Ferragosto
Autoren: Diana Fiammetta Lama
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los.«
    »Gerry!«
    »Tut mir leid, meine Liebe, aber ich ertrage dieses Individuum einfach nicht. Er ist aalglatt und so arrogant, dass es selbst für einen Journalisten zu viel ist.«
    »Entschuldigt, der ›Toreador‹ ist nicht gerade meine Lieblingsarie. Ich gehe mir ein wenig die Beine vertreten.«
    »Olimpia ist heute Abend nervös.«
    »Erste Aufwallungen der Wechseljahre, nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.«
     
    Titta Sangiacomo fühlte sich wie ein Sperber unter Tauben.
    Genauer gesagt, dieses Bild hatte er von sich, als er sich seinen Weg durch die Menge bahnte, vom Platz aus zu den Punkten ausschwärmte, von denen man um Mitternacht das Feuerwerk sehen konnte. Er suchte ein bekanntes Gesicht, fand aber keins. Alles nur Dorftrottel. Dabei waren alle da. Gerade waren sie doch noch da gewesen, Regina, Olimpia, Pippo, Leandro, der Jesuit, Aloshi und Gerry, Mina, und nun waren sie wie vom Erdboden verschluckt. Eigentlich hatten sie schon den ganzen Abend diese Tendenz gezeigt. Ob sie ihm aus dem Weg gingen? Unmöglich, sie konnten es doch nicht wissen.
     
    Kann man aus Liebe töten? Olimpia glaubte ja.
    Sie sah ihren Freunden ins Gesicht, besser gesagt ihren Bekannten um sich herum. Aloshi, vielleicht. Hinter ihrer glatten asiatischen Schönheit glomm ein Feuer, das sie kannte. Lillo. Von den anderen Männern keiner. Vielleicht Regina.
    Und sie selbst natürlich.
     
    Schon lange vor Pioppica sah er die Autos, die auf beiden Seiten der Straße parkten. Nur noch wenige Kurven, dann lief er auf die Rücklichter des Wagens vor ihm auf. Dicht an dicht wie eine Schlange mit tausend roten Augen schoben sich die Autos durch die dunkle Nacht. Die Lichter des Dorfes waren noch nicht zu sehen. Santomauro verschränkte die Arme über dem Lenkrad und seufzte.
     
    Das Feuerwerk begann um Mitternacht. Dieses Jahr kam der Pyrotechniker aus Crotone, und es ging das Gerücht, dass er der Beste seiner Zunft sei, und der Teuerste noch dazu. Die Einwohner von Pioppica Sopra würden vor Neid platzen, denn das diesjährige Fest der heiligen Atenaide würde in die Geschichte eingehen.
    Was sich bewahrheiten sollte, wenngleich keiner der Leute, die einen bequemen Sichtplatz zu ergattern versuchten, ahnte, warum.
    Die Grüppchen verteilten sich langsam über Balkone und Terrassen. Die größten Feuerwerkfans zogen sich an streng geheime Orte zurück, die nur sie kannten. Der beste Ort, um das Feuerwerk anzusehen, war bei den letzten Häusern am oberen Dorfrand. Die Kenner behaupteten steif und fest, dass man von hier die Böller nicht nur fast vor der Nase hatte, sondern ihr Dröhnen auch bis in den Bauch spüren konnte.
     
    Im Gemenge und in der Finsternis war es unmöglich, Gesichter zu erkennen oder zu wissen, wer wo war und mit wem – die Rechnung ging auf. Nun galt es nur noch, sich diskret von den Freunden zu entfernen und über den zuvor ausgekundschafteten Pfad in Richtung Rocca zu laufen, die sich in unmittelbarer Nähe vor dem schwarzen Horizont erhob. Das Auto stand auf der Fläche, wo der Parkplatz entstehen sollte. Und im Kofferraum …
     
    Der Feuerwerker aus Crotone hatte die Grippe. Er hatte sie schon seit dem Vortag in den Gliedern gespürt, und um fünf Uhr heute Nachmittag waren Schüttelfrost und Hitzewallungen hinzugekommen. Trotzdem hatte er nicht die geringste Absicht, seine Auftraggeber zu enttäuschen. Auf seinem Gebiet war er der Beste, und Gerüchte verbreiteten sich schnell. Heute noch ganz oben, liegst du morgen schon im Dreck. Also wischte er sich den Schweiß von der Stirn und kontrollierte sein Material. Der Untergrund in der Umgebung war trocken, ringsum Gestrüpp, es hatte lange nicht mehr geregnet. Ein Funke am falschen Ort würde reichen, damit alles in Flammen aufging, doch er machte sich deswegen keine Sorgen, dafür übte er diesen Beruf schon viel zu lange aus.
     
    Immer hinterher, über die Fußwege zwischen den alten Häusern hindurch, deren Anblick so vertraut war. Um ihn nicht zuverlieren, musste man dicht an ihm dranbleiben – zum Glück rechnete er nicht damit, verfolgt zu werden, und sah sich nicht um. Und selbst wenn er es getan hätte: Die schwarze Kleidung seines Verfolgers verschmolz mit der Dunkelheit. Geräusche waren bei dem Geballer ohnehin nicht zu hören. Überhaupt zog das Feuerwerk die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Ein unverhofftes Glück, doch selbst wenn es anders gewesen wäre, in dieser Nacht würde so oder so gestorben.
     
    Das Handy war tot.
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