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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht
Autoren: Christopher Pike
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Gefühl – diese tiefe Trauer war einfach verschwunden.
    Welch eine Erleichterung.
    Poppy und Free fingen sie auf, als sie umfiel.
    Sie trugen Teresa zur Couch und legten sie vorsichtig hin.
    Teresa schlug die Augen auf. »Ich werde sterben«, flüsterte sie.
    »Hast du Angst?« fragte Poppy.
    »Nein«, antwortete sie ehrlich. »Mir tut bloß leid, daß ich so dumm gewesen bin. Eigentlich ging es mir doch sehr gut. In einigen Tagen oder Wochen wäre ich über die Enttäuschung hinweggewesen. Ich habe mich von meinen Gefühlen in die Irre führen lassen.« Sie hustete schwach. »Ich wünschte, ich hätte eine zweite Chance.«
    Poppy strich ihr sanft über die Wange. »Möchtest du zurückkehren?«
    »Ja«, sagte Teresa. »Mehr als alles andere. Ich möchte wieder leben.«
    Poppy wandte sich zu Free um. »Was meinst du? Jetzt mal zwischen uns, zwischen dem braven Engel und dem verschlagenen Teufel, glaubst du, wir können Teresa Chafey einen neuen Lebensfunken einhauchen?«
    Mit ernster Miene starrte Free auf Teresa herab. »Ich denke schon, alles ist möglich.«
    Poppy lächelte strahlend. Sie beugte sich zu Teresa herunter und küßte sie auf die Stirn. »Schließe deine Augen, und du wirst diesen Funken sehen.«
    »Ich werde leben?« fragte Teresa.
    »Ja«, sagte Poppy.
    »Aber wie soll das gehen?«
    »Pst. Du. wirst schon sehen«, sagte Poppy.
    »Wieso hilfst du mir? Ich meine, wieso gerade du?«
    »Warum Gott mich gesandt hat?« fragte Poppy amüsiert. »Sagen wir einfach, du bist für jemanden sehr wichtig, der wiederum mir sehr wichtig ist. Du ahnst nicht, wieviel Zeit du mit ihm verbringen wirst.«
    »Von wem sprichst du?« fragte Teresa.
    »Schlafe.« Poppy streckte eine Hand aus und strich Teresa sanft über die Augen. »Schlaf ein, und träume vom Leben.«
    Es gab Raum, es gab Zeit – beide existierten, wie sie immer existiert hatten. Dennoch schien es, als könnte sie sich in beiden völlig frei bewegen – denn sie hatte sich verändert. Sie schien keinen Körper zu haben, und doch spürte sie jemanden ganz nahe bei sich. Diese Person, dieses Wesen, dachte an Bill, und daher dachte auch sie an Bill. Dann war sie plötzlich in Bills Wohnzimmer und sah, wie er Arm in Arm mit Rene vor dem Kaminfeuer schlief. Beide waren angezogen. Sie war froh, die beiden zu sehen und spürte nichts von dem fürchterlichen Schmerz, den sie zuvor empfunden hatte; dennoch kam sie sich auf seltsame Weise distanziert vor, so, als betrachte sie eine Filmszene. Gleich würde etwas passieren, etwas Wichtiges, doch darum machte sie sich keine Gedanken. In ihr herrschte Friede. Das Wesen, das sie bemerkt hatte, war noch immer neben ihr, obwohl sie außer Bill und Rene niemanden sehen konnte.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Kamin zu. Die Holzscheite hatten sich schon lange den Flammen ergeben, und nur einige kümmerliche Überbleibsel glommen noch träge vor sich hin. Aber inmitten der Asche geschah etwas Merkwürdiges. Urplötzlich begann im Kamin ein Miniatursturm zu wirbeln, und der plötzliche Luftzug ließ die verkohlten Reste wieder aufglühen. Das orangefarbene Glimmen wurde zu einem hellen Rot, und die Asche schoß wie magnetisiert in den Schornstein empor. Dann zerbrach eines der verbliebenen Holzstücke mit einem lauten Knacken. Ein Funke schoß aus dem Kamin und traf Bill am Arm.
    Er schreckte aus dem Schlaf hoch, sah sich erschrocken um und starrte direkt auf die Stelle, von der aus Teresa ihn beobachtete. Er rieb sich die Augen. Falls er sie sah, ließ er sich nichts anmerken – sie jedenfalls konnte sich selbst nicht sehen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht strich er über die Stelle an seinem Arm, wo der Funke ihn getroffen hatte. Dann sah er plötzlich zur Haustür. Ein Luftzug von draußen zerzauste seine Haare. Er stand auf und ging zur Tür. Teresa folgte ihm mühelos.
    Die Tür stand weit offen. Im Schloß steckte ein Schlüssel. Es war Teresas Schlüssel – er hatte ihn ihr irgendwann gegeben. Spaßeshalber hatte er ihn golden angemalt und ihr erzählt, dies sei der Schlüssel zum Himmel. Sie mußte ihn steckengelassen haben, als sie vorhin dagewesen war.
    Bill zog den Schlüssel aus dem Schloß. Er sah auf die Straße hinaus, dann wieder auf die schlafende Rene. Plötzlich wurde ihm alles klar, und nacktes Entsetzen überkam ihn. Er rannte ins Schlafzimmer, holte seine Schuhe und seine Autoschlüssel. Beim Hinausrennen warf er nicht einmal die Haustür zu. Teresa wußte nicht genau, wohin er wollte, aber sie
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