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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht
Autoren: Christopher Pike
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Wasser abstellen«, sagte sie schwach.
    »Warum machst du es nicht selbst?« fragte Free.
    »Mir ist viel zu schlecht«, sagte sie.
    »Du hast immer eine Entschuldigung«, entgegnete Free.
    Sie war aufgebracht. »Du hast diese zwei Menschen skrupellos erschossen, du Tier.«
    Free lachte. Er strich seine leere Stofftasche glatt. Was hatte er mit dem Rest seiner Kleidung getan? Einfach weggeworfen?
    »Hat Spaß gemacht«, sagte er. »Hat's dir auch Spaß gemacht? Vergiß nicht, einen von ihnen hast du umgebracht.«
    »Das war ein Unfall!« protestierte Teresa.
    Free kicherte. »Was für ein Gedächtnis!«
    Teresa weinte leise in sich hinein. »Würde bitte jemand das Wasser abstellen? Das Geräusch tut meinem Kopf weh.«
    »Du bist die einzige, die das Wasser abstellen kann, Baby«, gab Free zurück. »Poppy und ich haben keine Hände.« Er machte eine Pause. »Willst du fernsehen?«
    »Was? Nein.«
    »Ich habe ein Video, das dir gefallen dürfte«, sagte Free. Er zog eine Kassette aus seiner Manteltasche und ging zum Videorecorder. Er schob die Kassette ein und stellte de Fernseher an. »Du fragst immer wieder, wo wir sind – ich hab's dir schon gesagt. Betrachte dieses Video einfach eine Art Wegbeschreibung der letzten Nacht.«
    »Ich kann mir jetzt nichts ansehen«, flüsterte Teresa. Ihr Kopf fiel zur Seite. Sie mußte sich anstrengen, bei Bewußtsein zu bleiben, und sie fragte sich, warum sie überhaupt tat. Denn wäre sie einfach ohnmächtig geworden, hätte sie keine Schmerzen mehr gespürt. Es war so verlockend, einfach einzuschlafen. Und doch hielt etwas ihre Augen offen.
    »Glaub mir, du wirst es dir ansehen«, sagte Free.
    Das Video begann. Es zeigte, wie eine Frau die Wohnungstür schloß und zu ihrem Auto ging. Die Kamera folgte der jungen Frau – sie war vielleicht achtzehn –, die jetzt ihre Reisetasche auf den Rücksitz warf und in de Wagen stieg. Sie startete den Motor und fuhr hinaus in di verregnete Nacht.
    Regen.
    Es blitzte, und die plötzliche Helligkeit gestattete Teresa einen Blick hinein in den Wagen.
    Erkennen. Die junge Frau.
    »Das bin ich!« stieß Teresa aus und setzte sich auf.
    »Stimmt«, sagte Free. »Als du heute abend von zu Hause abgehauen bist.«
    »Woher hast du das Video?«
    »Ich habe Freunde in hohen Positionen«, antwortete Free. »Aber noch mehr in niedrigen. Willst du, daß ich noch mal zurückspule?«
    »Nein«, sagte sie schnell. »Ich will, daß du es abstellst. Du solltest Leute nicht ohne ihr Wissen filmen.«
    Free kicherte. »Ich habe noch einen viel schärferen Film von dir, wenn du weißt, was ich meine.« Er beugte sich zu ihr vor, und sie konnte sich nicht vorstellen, daß sein Atem einmal frisch gerochen hatte; jetzt stank er nur noch nach Verwesung. »Ich habe einen Film mit dir in der Badewanne. Wie findest du das, Miss Teresa?«
    »Du lügst!« schrie sie ihn an.
    Er warf die Arme in die Luft. »Ich lüge!« Dann wirbelte er herum und hockte sich neben seine Stofftasche auf den Boden. »Aus alten Armeebeständen«, sagte er und zeigte auf einen Plastiksack, den er unvermittelt aus der Tasche hervorgezaubert hatte.
    Der Anblick des Plastiksacks fesselte sie, aber nicht auf angenehme Art. So ein Ding hatte sie schon mal gesehen. »Wo hast du den her?« fragte sie.
    »Diese Säcke wurden in den Sechzigern und Siebzigern benutzt«, sagte Free. »In ihnen kehrten viele unserer besten jungen Männer aus Vietnam zurück.«
    »Ein Leichensack«, flüsterte sie.
    Er hatte ihn die ganze Nacht dabei gehabt.
    Wozu?
    Falsche Frage.
    Für wen?
    »Richtig«, kicherte Free.
    Die Wahrheit zu erfahren, das war es, was ihre Augen offenhielt. Mit letzter Kraft schleppte sich Teresa zum Videorecorder, stellte ihn ab, drückte die Rückspultaste und schaltete dann wieder auf ›Play‹.
     
    Sie nahm ein Bad. Nackt.
    »Ich hab's dir doch gesagt«, kicherte Free hinter ihr.
    Es war ein dampfendheißes Bad, und das Wasser floßununterbrochen, damit es in der Wanne nicht kalt wurde. Teresa sah zum Badezimmer hinüber, von wo das Wasser mittlerweile in den Flur hinausfloß. Das Wasser war nicht klar; es wurde von etwas getrübt. Teresa sah wieder auf den Bildschirm. Sie, diese hübsche junge Frau, nahm ein Messer. In ihrem Gesicht lag unendlicher Schmerz, der aber nicht stärker zu werden schien, als sie die Klinge an ihr linkes Handgelenk hielt und tief hineinschnitt. Schmerz, so hatte sie sich zu dem Zeitpunkt gesagt, war für die Lebenden. Es bestand kein Grund, beide Pulsadern
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