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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht
Autoren: Christopher Pike
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Klang der Welt, nein, des gesamten Universums. Sie breitete die Arme aus.»Halte mich, John. Halte mich bis in alle Ewigkeit.«
    Sie fielen sich in die Arme. Sie küßten sich.
    Es war wunderschön.
    Teresa war für die beiden so glücklich, daß auch sie zu weinen begann.
    Glücklich. Welch ein Gefühl für eine Sterbende.
    Nichts von alldem änderte etwas an der Tatsache, daß sie sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte.
    Das war kein Traum, aus dem sie gleich erwachen würde. Sie starb.
    »Noch bist du nicht tot«, sagte Poppy, die noch immer in Frees Armen lag und ihre Gedanken zu lesen schien.
    »Aber hast du nicht gesagt, daß -«, begann Teresa.
    Poppy löste sich aus Frees Umarmung. Sie strahlte jetzt so, wie ein Schutzengel strahlen sollte. Teresa war nicht klar gewesen, daß Engel so menschlich sein konnten.
    »Was habe ich gesagt?« fragte Poppy. »Was hat der Priester gesagt? Hast du ihn bis zu Ende angehört? Nein, du bist weggerannt. Du bist vor deinen Fehlern weggerannt. Wärst du geblieben, hättest du erfahren, daß einem alle Fehler vergeben werden, wenn man sie dem Heiligen Vater preisgibt.«
    »Aber ich habe keine Ahnung, wie man das macht«, sagte Teresa.
    »Es gibt kein Wie«, sagte Poppy. »Die Wahrheit an sich ist der Schlüssel. Und was ist in deinem Fall die Wahrheit?
    Daß du dich aus Selbstmitleid umbringen wolltest. Und wozu Selbstmitleid führt, hast du aus Johns Geschichte gelernt, wie du eben bewiesen hast. Vergiß die Krankenschwester, die du vorhin getötet hast. Sie war sowieso längst tot. Vergiß, was bei der Hexe passiert ist. Es macht mir nichts aus. Du und Free, ihr habt euch wie Kinder benommen, aber das einzige, was zählt, ob ihr voneinander gelernt habt.« Sie zeigte mit dem Finger auf John, während sie weitersprach. »Und vergiß, daß er dich ins Reich der Finsternis hinabzerren wollte.«
    Free lächelte. »So schlimm ist es dort nun auch wieder nicht«, sagte er.
    Poppy sah ihn eindringlich an. »Willst du etwa dorthin zurück?«
    Verlegen kratzte er sich am Kopf. »Äh, nein.« Er nahm sie wieder in die Arme. »Ich glaube, ich bin soweit, daß ich mich zum Guten ändern kann.« Er machte eine Pause. »Habe ich dich wirklich nicht erschossen?«
    Poppy lachte. »Selbst, wenn du es versucht hättest, du hättest sowieso nicht getroffen.« Sie wandte sich wieder Teresa zu. »Was mache ich bloß mit dir, du dummes Mädchen?«
    Teresa kämpfte gegen das aufsteigende Schwindelgefühl an. »Du bist nicht körperlich. Du kannst mich nicht aus der Badewanne holen und einen Arzt rufen. Wenn meine Eltern nach Hause kommen, werde ich längst tot sein. « Sie senkte den Kopf. »Es spielte keine Rolle, was ich Gott anbiete.«
    »Warum tust du es nicht einfach und wartest ab, was passiert?« schlug Poppy vor.
    »Aber -«, fing Teresa an.
    »Na los, versuch's«, sagte Free. »Du hast nichts zu verlieren. Und wenn es funktioniert, mache ich's vielleicht auch.«
    »Was muß ich tun?« fragte Teresa.
    »Spüre, was du fühlst«, sagte Poppy. »Dann überlaß dieses Gefühl dem Heiligen Vater. Es spielt keine Rolle, wie du über ihn denkst. Hauptsache, du läßt ihn an dich denken.«
    »Kann ich meine Augen zumachen?« fragte sie.
    »Ja«, sagte Poppy.
    »Aber stirb uns nicht weg«, warf Free ein.
    Teresa machte die Augen zu und begann zu sehen. Sie sah, wie gut ihr Leben gewesen war, erkannte, wie wertvoll die Geschenke waren, die man ihr gemacht hatte: ihre Stimme, ihre Musik, ihre Fähigkeit zu schreiben, ja selbst ihre Eltern. Ihr wurde klar, wie sehr sie um ihre einzige Tochter trauern würden, um ihr Kind, für das sie soviel geopfert hatten.
    Und sie sah Bill. Er würde für immer einen Platz in ihrem Herzen haben, aber jetzt erkannte sie, daß sie ihn ziehen lassen konnte, daß sie darüber hinwegkommen würde, selbst wenn sie ihn nie wiedersah. Er hatte ihr Leben bereichert, hatte es nicht zerstören wollen. Er war verliebt, und zu lieben war immer gut. Auch er wäre über ihren Selbstmord todunglücklich.
    Und Rene? Dieses hinterhältige, kleine Biest. Nun, Mädchen waren eben Mädchen, genauso, wie Jungen Jungen waren. Teresa konnte Rene nicht hassen. Sie konnte niemanden hassen, nicht einmal sich selbst. Das Leben war wunderschön, und es war schrecklich. Es war beides zugleich, und das machte es so wertvoll. Sie war nur so von sich enttäuscht gewesen und hatte es deshalb wegwerfen wollen.
    Teresa spürte, wie eine große Last von ihr abfiel.
    Sie war völlig perplex. Das
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