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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Autoren: Stephen Hawking
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Mittelpunkt einer riesigen Ansammlung von Sternen kreist, die wir unsere Galaxis nennen. Als der Vortrag beendet war, stand hinten im Saal eine kleine alte Dame auf und erklärte: «Was Sie uns da erzählt haben, stimmt alles nicht. In Wirklichkeit ist die Welt eine flache Scheibe, die von einer Riesenschildkröte auf dem Rücken getragen wird.» Mit einem überlegenen Lächeln hielt der Wissenschaftler ihr entgegen: «Und worauf steht die Schildkröte?» – «Sehr schlau, junger Mann», parierte die alte Dame. «Ich werd’s Ihnen sagen: Da stehen lauter Schildkröten aufeinander.»
    Die meisten Menschen werden über die Vorstellung, unser Universum sei ein unendlicher Schildkrötenturm, den Kopf schütteln. Doch woher nehmen wir die Überzeugung, es besser zu wissen? Was wissen wir vom Universum, und wieso wissen wir es? Woher kommt das Universum, und wohin entwickelt es sich? Hatte es wirklich einen Anfang? Und wenn, was geschah davor ? Was ist die Zeit? Wird sie je ein Ende finden? Neuere Erkenntnisse in der Physik, die teilweise phantastischen neuen Technologien zu verdanken sind, legen einige Antworten auf diese alten Fragen nahe. Eines Tages werden uns diese Antworten vielleicht so selbstverständlich erscheinen wie die Tatsache, daß die Erde um die Sonne kreist – oder so lächerlich wie der Schildkrötenturm. Nur die Zukunft (was auch immer das sein mag) kann uns eine Antwort darauf geben.
    Schon 340 v.Chr. brachte der griechische Philosoph Aristoteles in seiner Schrift «Vom Himmel» zwei gute Argumente für seine Überzeugung vor, daß die Erde keine flache Scheibe, sondern kugelförmig sei. Erstens verwies er auf seine Erkenntnisse über die Mondfinsternis. Sie werde, schrieb er, dadurch verursacht, daß die Erde zwischen Sonne und Mond trete. Der Erdschatten auf dem Mond sei immer rund, also müsse die Erde eine Kugel sein. Wäre sie eine Scheibe, hätte der Schatten eine längliche, elliptische Form, es sei denn, die Mondfinsternis träte immer nur dann ein, wenn sich die Sonne direkt unter dem Mittelpunkt der Scheibe befände. Zweitens wußten die Griechen von ihren Reisen her, daß der Polarstern im Süden niedriger am Himmel erscheint als in nördlichen Regionen. (Aufgrund der Lage des Polarsterns über dem Nordpol scheint er sich dort direkt über einem Beobachter zu befinden, während er vom Äquator aus betrachtet knapp über dem Horizont zu stehen scheint.) Aus der unterschiedlichen Position des Polarsterns für Beobachter in Ägypten und Griechenland glaubte Aristoteles sogar den Erdumfang errechnen zu können. Er kam auf 400 000 Stadien. Die exakte Länge eines Stadions ist nicht bekannt, sie dürfte aber über 180 Meter betragen haben, wonach Aristoteles’ Schätzung doppelt so hoch läge wie der heute angenommene Wert. Die Griechen hatten noch ein drittes Argument dafür, daß die Erde eine Kugel sein muß. Wie sollte man es sich sonst erklären, daß man von einem Schiff, das am Horizont erscheint, zuerst die Segel und erst dann den Rumpf sieht?
    Aristoteles glaubte, die Sonne, der Mond, die Planeten und die Sterne bewegten sich in kreisförmigen Umlaufbahnen um die Erde, während diese in einem unbewegten Zustand verharre – eine Auffassung, der seine mystische Überzeugung zugrunde lag, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums und die kreisförmige Bewegung die vollkommenste. Diese Vorstellung gestaltete Ptolemäus im 2. Jahrhundert n.Chr. zu einem vollständigen kosmologischen Modell aus. In ihm bildet die Erde den Mittelpunkt, umgeben von acht Sphären, die den Mond, die Sonne, die Sterne und die fünf Planeten tragen, die damals bekannt waren – Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn (Abb. 1). Die Planeten selbst bewegen sich in kleineren Kreisen, die mit ihren jeweiligen Sphären verbunden sind. Diese Annahme war nötig, um die ziemlich komplizierten Bahnen zu erklären, die man am Himmel beobachtete. Die äußerste Sphäre trägt in diesem Modell die sogenannten Fixsterne, die immer in der gleichen Position zueinander bleiben, aber gemeinsam am Himmel kreisen. Was jenseits der letzten Sphäre lag, wurde nie deutlich erklärt; mit Sicherheit aber gehörte es nicht zu dem Teil des Universums, der menschlicher Beobachtung zugänglich war.

    Der Ptolemäische Kosmos lieferte ein Modell, das hinreichend genau war, um die Positionen der Himmelskörper vorherzusagen. Doch zur präzisen Vorherbestimmung dieser Positionen mußte Ptolemäus von der Voraussetzung ausgehen, der
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