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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Autoren: Stephen Hawking
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Theorie, die beide Teiltheorien enthält – nach einer Quantentheorie der Gravitation. Über eine solche Theorie verfügen wir bislang nicht, und möglicherweise sind wir noch weit von ihr entfernt, aber wir kennen bereits viele der Eigenschaften, die sie aufweisen muß. Und wir werden in späteren Kapiteln sehen, daß wir schon recht genau die Voraussagen bestimmen können, die eine Quantentheorie der Gravitation liefern muß. Die Suche nach ihr ist das Hauptthema dieses Buches.
    Wenn man der Meinung ist, das Universum werde nicht vom Zufall, sondern von bestimmten Gesetzen regiert, muß man die Teiltheorien zu einer vollständigen vereinheitlichten Theorie zusammenfassen, die alles im Universum beschreibt. Es gibt jedoch ein grundlegendes Paradoxon bei der Suche nach einer vollständigen vereinheitlichten Theorie. Die Vorstellungen über wissenschaftliche Theorie, wie sie oben dargelegt wurden, setzen voraus, daß wir vernunftbegabte Wesen sind, die das Universum beobachten und aus dem, was sie sehen, logische Schlüsse ziehen können. Diese Vorstellung erlaubt es uns, davon auszugehen, daß wir die Gesetze, die unser Universum regieren, immer umfassender verstehen. Doch wenn es tatsächlich eine vollständige vereinheitlichte Theorie gibt, würde sie wahrscheinlich auch unser Handeln bestimmen. Deshalb würde die Theorie selbst die Suche nach ihr determinieren! Und warum sollte sie bestimmen, daß wir aus den Beobachtungsdaten die richtigen Folgerungen ableiten? Könnte sie nicht ebensogut festlegen, daß wir die falschen oder überhaupt keine Schlüsse ziehen?
    Die einzige Antwort, die ich auf dieses Problem weiß, beruht auf Darwins Prinzip der natürlichen Selektion. Danach wird es in jeder Population sich selbst fortpflanzender Organismen bei den verschiedenen Individuen Unterschiede in der Erbanlage und in der Aufzucht geben. Diese Unterschiede bewirken, daß einige Individuen besser als andere in der Lage sind, die richtigen Schlußfolgerungen über die Welt um sie her zu ziehen und entsprechend zu handeln. Für diese Individuen ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß sie überleben und sich fortpflanzen, und deshalb werden sich ihr Verhalten und Denken durchsetzen. Auf die Vergangenheit trifft sicherlich zu, daß Intelligenz und wissenschaftliche Entdeckungen von Vorteil für unser Überleben waren. Weniger sicher ist, ob dies noch immer der Fall ist: Unsere wissenschaftlichen Entdeckungen könnten uns vernichten, und selbst wenn sie es nicht tun, so wird eine vollständige vereinheitlichte Theorie unsere Überlebenschancen nicht wesentlich verbessern. Doch von der Voraussetzung ausgehend, das Universum habe sich in regelmäßiger Weise entwickelt, können wir erwarten, daß sich die Denk- und Urteilsfähigkeit, mit der uns die natürliche Selektion ausgestattet hat, auch bei der Suche nach einer vollständigen vereinheitlichten Theorie bewähren und uns nicht zu falschen Schlüssen führen wird.
    Da die Teiltheorien, die wir bereits haben, von ganz außergewöhnlichen Situationen abgesehen, ausreichen, um genaue Vorhersagen zu liefern, scheint sich die Suche nach der endgültigen Theorie des Universums aus praktischer Sicht nur schwer rechtfertigen zu lassen. (Hier läßt sich allerdings anmerken, daß man ähnliche Einwände auch gegen die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik hätte vorbringen können, und dann haben uns diese beiden Theorien die Kernenergie und die mikroelektronische Revolution gebracht!) Möglicherweise wird also die Entdeckung einer vollständigen vereinheitlichten Theorie keinen Beitrag zum Überleben der Menschheit liefern, ja sie wird sich noch nicht einmal auf unsere Lebensweise auswirken. Doch seit den ersten Anfängen ihrer Kultur haben die Menschen es nie ertragen können, das unverbundene und unerklärliche Nebeneinander von Ereignissen hinzunehmen. Stets waren sie bemüht, die der Welt zugrundeliegende Ordnung zu verstehen. Nach wie vor haben wir ein unstillbares Bedürfnis zu wissen, warum wir hier sind und woher wir kommen. Das tiefverwurzelte Verlangen der Menschheit nach Erkenntnis ist Rechtfertigung genug für unsere fortwährende Suche. Und wir haben dabei kein geringeres Ziel vor Augen als die vollständige Beschreibung des Universums, in dem wir leben.

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    Raum und Zeit
    U NSERE GEGENWÄRTIGEN VORSTELLUNGEN über die Bewegung von Körpern gehen zurück auf Galilei und Newton. Vorher hielt man sich an Aristoteles, der verkündet
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