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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Autoren: Stephen Hawking
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Wirkungen exakt auf, so daß die Beschleunigung in allen Fällen gleich ist.
    Ferner ist nach Newtons Gravitationsgesetz die Kraft um so kleiner, je weiter die Körper voneinander entfernt sind. Newtons Gravitationsgesetz drückt aus, daß die Massenanziehung eines Sterns genau ein Viertel derjenigen eines ähnlichen Sterns beträgt, der halb so weit entfernt ist. Es sagt die Umlaufbahnen der Erde, des Mondes und der Planeten mit großer Genauigkeit vorher. Gäbe es ein Gesetz, dem zufolge die Anziehung rascher mit der Entfernung abnähme, wären die Umlaufbahnen der Planeten nicht elliptisch, sondern würden entweder spiralförmig auf die Sonne zulaufen oder sich immer weiter von ihr entfernen.
    Der große Unterschied zwischen den Vorstellungen des Aristoteles auf der einen und denen Galileis und Newtons auf der anderen Seite liegt darin, daß jener an einen bevorzugten Ruhezustand glaubte, den jeder Körper einnehmen würde, wenn nicht irgendeine Kraft, irgendein Impuls auf ihn einwirkte. Vor allem meinte er, die Erde befände sich im Ruhezustand. Doch aus den Newtonschen Gesetzen folgt, daß es keinen eindeutigen Ruhezustand gibt. Man kann mit gleichem Recht sagen, daß sich Körper A im Ruhezustand befindet, während sich Körper B, bezogen auf Körper A, mit gleichbleibender Geschwindigkeit bewegt, oder daß Körper B unbeweglich verharrt, während Körper A sich bewegt. Wenn wir beispielsweise die Erdumdrehung und die Kreisbahn unseres Planeten um die Sonne einen Moment lang unberücksichtigt lassen, so könnten wir entweder sagen, daß die Erde sich in Ruhe befindet, während eine Straßenbahn auf ihrer Oberfläche mit fünfzig Stundenkilometern ostwärts fährt, oder daß der Wagen sich im Ruhezustand befindet, während sich die Erde mit fünfzig Stundenkilometern westwärts bewegt. Führte jemand Experimente mit sich bewegenden Körpern in der Straßenbahn durch, blieben Newtons Gesetze gültig. Bei einem Tischtennismatch in der Straßenbahn würde man zum Beispiel feststellen können, daß der Ball den Newtonschen Gesetzen genauso gehorcht wie ein Ball draußen auf einer Tischtennisplatte, die an den Gleisen aufgestellt ist. Es läßt sich also nicht entscheiden, ob sich die Straßenbahn oder die Erde bewegt.
    Das Fehlen eines absoluten Zustands der Ruhe bedeutet, daß man nicht bestimmen kann, ob zwei Ereignisse, die zu verschiedenen Zeitpunkten stattfanden, am selben Ort im Raum vorkamen. Nehmen wir an, der Tischtennisball in der Bahn springt senkrecht hoch und runter, so daß er im Abstand von einer Sekunde zweimal an derselben Stelle des Tisches aufprallt. Für jemanden, der am Gleis steht, würden die beiden Rücksprünge des Balls etwa dreizehn Meter auseinanderliegen, weil die Straßenbahn diese Strecke in der Zwischenzeit zurückgelegt hätte.
    Das Nichtvorhandensein eines absoluten Ruhepunktes bedeutet also, daß man einem Ereignis entgegen der Auffassung des Aristoteles keine absolute Position im Raum zuweisen kann. Die Positionen von Ereignissen und die Abstände zwischen ihnen wären verschieden, je nachdem, ob sich der Beobachter in der Straßenbahn oder am Gleis befindet, und es gibt keinen Grund, die eine Beobachterposition der anderen vorzuziehen.
    Dieses Fehlen eines absoluten Ortes oder eines absoluten Raums, wie man sagte, machte Newton schwer zu schaffen, weil es nicht in Einklang zu bringen war mit seiner Vorstellung von einem absoluten Gott. Ja, er weigerte sich, diesen Mangel hinzunehmen, obwohl er sich aus seinen Gesetzen ergab. Wegen dieser irrationalen Überzeugung wurde er von vielen kritisiert, vor allem von George Berkeley, einem Theologen und Philosophen, der alle materiellen Gegenstände ebenso wie Zeit und Raum für bloße Täuschung hielt. Als der berühmte Dr. Johnson von Berkeleys Ansichten hörte, rief er aus: «Das widerlege ich so!» und stieß mit seinem Zeh gegen einen großen Stein.
    Aristoteles wie Newton glaubten an eine absolute Zeit. Das heißt, sie glaubten, man könnte das Zeitintervall zwischen zwei Ereignissen eindeutig bestimmen, und diese Zeit bliebe stets die gleiche, wer auch immer sie messe – vorausgesetzt, die Uhr geht richtig. Nach dieser Auffassung ist Zeit getrennt und unabhängig vom Raum. Die meisten Leute würden ihr wohl zustimmen; aus der Sicht des gesunden Menschenverstandes spricht nichts dagegen. Doch wir waren gezwungen, unsere Vorstellungen von Zeit und Raum zu ändern. Zwar kommen wir mit den alltäglichen, vom gesunden
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