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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein
Autoren: Lydia Adamson
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kurzhaarige Stallkatzen? Warum keine Siamkatzen, Perserkatzen, Maine-Coon-Katzen, Himalayan-Katzen oder Manx-Katzen?«
    Ihre Stimme wurde hysterisch, und sie wollte aufstehen.
    »Beruhige dich, Jo«, sagte ich und drückte sie mit sanfter Gewalt in den Stuhl zurück. »Vielleicht hat Harry Calicos für etwas Besonderes gehalten. Vielleicht hat er sie geliebt, weil sie so schwer zu züchten sind.«
    »Das hat Harry mir nie gesagt – und er hätte es mir gesagt!« Wieder wurde ihre Stimme schrill.
    Ich versuchte, die Sache nüchtern zu betrachten. »Ich glaube nicht, daß Harry von der Besonderheit seiner Zucht wußte, bis Cup of Tea eine seiner Katzen zum Stallkameraden bekam. Meiner Meinung nach hat Harry anfangs nur deshalb Calicos gezüchtet, weil er zeigen wollte, daß er mehr von Katzen versteht als alle Leute, die Bücher darüber geschrieben haben. Und ich finde, das hat er bewiesen. Wie er seine Zuchterfolge erzielt hat, werden wir wohl nie erfahren.«
    Jo seufzte und nahm ihre Karten vom Tisch. Wir spielten weiter, doch immer wieder nickte Jo, und ihre Lippen formten Worte, als würde sie sich mit einem unsichtbaren Gesprächspartner über ein sehr wichtiges Thema unterhalten.
    Plötzlich blickte sie mich an und sagte: »Asche.«
    »Was meinst du damit, Jo?«
    »Asche. Meine Ehe mit Harry war nur ein Haufen Asche. Das hat sich zum bösen Schluß herausgestellt, nicht wahr?«
    »Er hat das alles für dich getan, Jo – des Geldes wegen, des Hauses wegen, deinetwegen. Damit du ein Auskommen hast, Jo. Du hast Harry sehr viel bedeutet.« Ich wußte nicht, weshalb ich das sagte. Ich glaubte selbst nicht daran. Falls Harry die ganze Sache nicht zum eigenen Vorteil aufgezogen hatte, dann für Ginger oder Mona, aber nicht für Jo. Doch das war eine so bittere Erkenntnis, daß ich sie nicht über die Lippen brachte.
    »Alles ist aus und vorbei. Alles nur Schall und Rauch. Alles nur Asche… wie Harrys Asche auf dem Zufahrtsweg«, sagte Jo, deren Körper plötzlich von Kälteschauern geschüttelt wurde. Ich legte ihr eine Decke um.
    Allmählich wurde mir klar, daß wir eine Totenwache für Harry Starobin hielten – egal, was alles noch geschehen mochte. Der geheimnisvolle alte Mann hatte in Jos und meinem Innern unauslöschliche Spuren hinterlassen. Liebhaber, Ehemann, Wunschvater, Züchter… Zauberer? Ein rätselhafter Mann, den keiner von uns wirklich gekannt hatte.
    Ich schloß die Augen und sah, wie er sich gespenstisch aus der Asche auf dem Zufahrtsweg erhob – kraftvoll, traurig, leidenschaftlich, wißbegierig und vor allem klug. Hatte Harrys Klugheit uns so sehr in den Bann geschlagen, daß wir uns wie Ertrinkende an die Erinnerungen klammerten?
    Ich wollte das Haus verlassen. Ich wollte in das Cottage, zu Bushy und Pancho. Sie fühlten sich dort drinnen nicht wohl.
    »Wenn du nichts dagegen hast, gehe ich jetzt zu Bett, Jo.« Wir hatten beschlossen, vom Einbruch der Dunkelheit bis Mitternacht gemeinsam im Wohnzimmer zu bleiben; dann wollten wir die Nachtwache allein dem Polizisten überlassen, der im Stall Posten bezogen hatten.
    Jo nickte. Ich verließ rasch das Haus und eine zum Cottage. Armer Pancho, armer Bushy, dachte ich. Ganz allein in diesem gespenstischen kleinen Häuschen.
    Ich hatte gerade die Tür des Cottage erreicht, als ein Schrei die nächtliche Stille zerriß.
    Dann hörte ich ein gedämpftes Krachen.
    Entsetzt fuhr ich herum.
    Ich sah, wie im Haupthaus und im Stall Lichter aufflammten.
    Dann sah ich Jo. Sie lief zum Stall, so schnell sie konnte.
    Ich rannte los.
    Als ich den Stall erreichte, sah ich, daß der Polizist sich ängstlich ans Eingangstor gekauert hatte. Aus einer Wunde am Kopf des Mannes strömte Blut. Er hatte seine Waffe gezogen und machte einen verwirrten und entsetzten Eindruck. Jo war bei ihm und drückte ihm ein Handtuch auf die Wunde.
    »Ich habe ihn erwischt!« rief der Polizist Jo zu. »Er hat mir mit seiner Taschenlampe eins verpaßt, aber ich habe ihn erwischt!«
    Im Licht der Lampe über dem Stalltor konnte ich überall Blut sehen: an Kopf und Kleidung des Polizeibeamten. Am Stalltor. Auf dem Boden. Eine Blutspur führte aus dem Stall ins überwucherte Feld; die kleinen Pfützen sahen aus, als hätte jemand rote Zierdeckchen verstreut.
    »Schnappen Sie sich den Kerl!« rief der Polizist mit schmerzerfüllter Stimme. »Er ist schwer verletzt! Sie müssen ihn schnappen!«
    Ängstlich, Hand an Hand, gingen Jo und ich auf das Feld. Nach ein paar Schritten blieben wir
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