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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein
Autoren: Lydia Adamson
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niemals Liebhaber gewesen. Er hatte mit Ginger ein Verhältnis gehabt, nicht mit mir. Und Ginger war tot. Soviel ich wußte, war auch Mona für längere Zeit Harrys heimliche Geliebte gewesen. Das konnte eine Erklärung dafür sein, daß Mona Aspen auf so verhängnisvolle Weise in diese Geschichte hineingeraten war; vielleicht hatte sie Harry aus Liebe geholfen, nicht des Geldes wegen. Und vielleicht hatte es noch mehr Frauen in Harrys Leben gegeben; aber ich gehörte nicht dazu.
    Konnte es sein, daß die kluge alte Jo meine geheimen Phantasien, meine Zuneigung zu Harry gespürt hatte? Diese seltsame Leidenschaft, die ich nie jemandem anvertraut hatte?
    Jedenfalls erwiderte ich nichts auf Jos Vorwurf, sondern senkte den Kopf. Jo interpretierte diese Geste offenbar als Schuldeingeständnis – und verzieh mir. Die Luft war wieder rein, die Feindschaft beendet. Jo murmelte irgend etwas vor sich hin, machte eine Handbewegung, die besagen sollte: na, und wenn schon, und wandte sich um.
    Am fünften Tag – wir hielten im Haupthaus Nachtwache –, erzählte Jo mir, daß sie mit Charlie Coombs gesprochen hatte. Er habe sich nach mir erkundigt.
    »Wie geht es Charlie?« fragte ich mit ruhiger Stimme, ganz unverfänglich – nach meinem Dafürhalten der angemessene Tonfall, um über verflossene Liebhaber zu reden.
    »Gut, nehme ich an. Habe ich dir schon mal von seinem Vater erzählt? Charlies Vater war ein wunderbarer Mann. Wenn eins seiner Pferde krank war, hat er immer bei dem Tier im Stall geschlafen.«
    Ich lächelte und fragte mich, wie es Charlie Coombs wirklich ergehen mochte. Hatte er sich ein Paar neue rote Schuhe zugelegt? Hatte er endlich seinen Schreibtisch in seinem kleinen Büro an der Rennbahn aufgeräumt? Siegten seine Pferde? Vermißte er mich? Aber ich konnte nicht lange über diese und andere Fragen nachdenken, ohne daß wieder der alte Verdacht in mir aufkeimte – daß Charlie Coombs in diese Geschichte verwickelt war; daß er irgendwie dabei mitgemischt hatte.
    Jo wechselte das Thema. »Sollen wir dem Polizisten im Stall Kaffee bringen?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Von mir aus.«
    »Das wollte ich schon, seit die Beamten sich jede Nacht in der Scheune abwechseln. Aber ich mußte immerzu an dich und Harry denken. Tja, dann werde ich mal Kaffee aufsetzen. Arnos kann ihn ja in den Stall bringen.«
    Ich lachte. »Arnos könnte nicht mal eine leere Tasse in den Stall bringen.«
    »Er ist ein netter Mann«, verteidigte Jo ihr altes Faktotum. »Er kann schließlich nichts dafür, daß er nicht aus dem Holz ist, aus dem man Hausmeister schnitzt. Außerdem ist er ein bißchen schusselig geworden.«
    »Ein bißchen sehr schusselig«, sagte ich, doch in Gedanken beschäftigte ich mich mit etwas ganz anderem. Mit dem, was uns erwartete. Ich war mir ziemlich sicher, daß der Möchtegern-Dieb kein Fremder sein würde. Vielleicht war es Charlie… vielleicht Nicholas Hill. Wer immer hier erscheinen mochte, um die vermeintlichen Kätzchen zu stehlen – ich kannte ihn; das wußte ich.
    Bei diesem Gedanken verspürte ich ein tiefes Gefühl der Unzulänglichkeit. Ja, ich schämte mich beinahe, als wäre es angesichts dieser eigenartigen, unerklärlichen Verschwörung Harry Starobins mit den geheimnisvollen Katzen und den siegreichen Pferden das beste gewesen, die Anzeige gar nicht erst aufzugeben… als wäre es das beste, wenn der Schuldige nichts unternahm und es der Zeit überließ, die Erinnerungen verlöschen zu lassen.
    »Weißt du, Harry hat für sein Leben gern Pfirsiche gegessen«, sagte Jo und überraschte mich mit dieser vollkommen zusammenhanglosen Bemerkung. »Früher haben wir immer ein paar Kisten harte, unreife Pfirsiche an der Straße draußen vor der Mannigalt-Farm gekauft.«
    Ich erkannte, daß Jo von einer Farm sprach, die wahrscheinlich schon vor zwanzig Jahren ihre Tore geschlossen hatte. Sie redete über ein Long Island, das es längst nicht mehr gab.
    Am achten Tag, um halb elf Uhr abends, saßen Jo und ich beim Romme. Bis jetzt waren auf meine Anzeige zwei, drei Briefe und ein paar Anrufe gekommen. Aber im Stall hatte sich niemand blicken lassen.
    Plötzlich flüsterte Jo: »Warum Calicos?«
    »Bitte?«
    »Wenn es stimmt, was du gesagt hast, Alice… wenn Harry wirklich getan hat, was du behauptest, warum hat er dann ausgerechnet Calicos gezüchtet?«
    »Ich kann dir nicht ganz folgen, Jo.«
    »Warum hat er keine Blaucreme oder Kartäuser, Rot Tabby oder Schildplatt gezüchtet? Warum
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