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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein
Autoren: Lydia Adamson
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von Harrys Leiche davongetragen hatte, wich allmählich – ich erkannte es daran, daß ich streitlustig wurde. »Für mich ist die ganze Sache sehr mysteriös«, sagte ich zu Senay.
    Für einen Augenblick blickte er mich an und hörte zu schaukeln auf; dann spielte er schweigend mit seinem Filzhut.
    »Es ist verrückt zu glauben, daß hier Einbrecher am Werk gewesen sind, die es auf Goldmünzen oder Tiffany-Lampen abgesehen hatten.«
    »Wer hat denn etwas von Goldmünzen gesagt? Oder von Lampen?« fragte Senay.
    »Oder von Geld und Antiquitäten.«
    »Jetzt hören Sie mal zu. Solche gewalttätigen Einbrüche geschehen am laufenden Band. In dieser Gegend wohnen viele reiche Leute. Sie können hier in jedes x-beliebige Haus einbrechen und darauf wetten, daß Sie etwas Wertvolles finden.«
    »Es kann kein Zufall sein, daß die Mörder sich gerade dieses Haus ausgesucht haben«, sagte ich.
    »Warum?«
    »Weil das Haus der Starobins das einzige im Umkreis ist, in das ein Dieb nicht einbrechen würde. Es ist völlig heruntergekommen. Im Vergleich zu den anderen Häusern in dieser Gegend ist es die reinste Bruchbude.«
    Meine Bemerkung ärgerte Senay.
    »Passen Sie mal auf«, sagte er und redete mit mir, als wäre ich geistig zurückgeblieben. »Es könnte ein zufälliger Einbruch gewesen sein, und es konnte ein vorsätzlicher Einbruch gewesen sein. Wenn wir die Täter nicht erwischen, erfahren wir das nie. Und wir werden die Täter niemals erwischen, wenn wir nicht herausfinden, was sie gestohlen haben. Und wir werden niemals herausfinden, was sie gestohlen haben, wenn Mrs. Starobin uns die Inventarliste nicht gibt!«
    Dann saßen wir schweigend beieinander, bis Jo wieder herunterkam. Ich verabschiedete mich von ihr, nickte dem Detective zu und machte mich auf den Weg zum Cottage, um die Katzen und das Gepäck zu holen. Das Taxi sollte an der Straße auf mich warten.
    Als ich an die Tür des Cottage gelangte, hörte ich ein überaus seltsames Geräusch. Zuerst dachte ich, es käme aus dem Innern der Hütte – daß die Katzen irgendwelchen Zirkus machten. Doch es kam von irgendwo draußen… von irgendwo hinter dem Haus, aus der kleinen Gruppe der Sumpfeichen. Es hörte sich an wie das Wimmern eines verletzten, zu Tode verängstigten Tieres.
    Was konnte das sein? Ich wollte es gar nicht unbedingt herausfinden. Weder das Cottage selbst noch dessen Umgebung waren mir geheuer. Ich hatte Angst; dafür hatte Harrys Leichnam gesorgt. Aber ich konnte das Geräusch nicht ignorieren. Es war herzzerreißend.
    Leise und vorsichtig schlich ich um das Cottage herum. Der Wind frischte auf und ließ die dürren Zweige rascheln. Die Geräusche verstummten. Ich blieb stehen. Dann setzte das Wimmern wieder ein.
    Als ich um die Ecke des Cottage bog, sah ich endlich, was ich hörte. Dort stand jemand und weinte so laut und kläglich, daß er am ganzen Körper geschüttelt wurde. Es war Ginger, das Stallmädchen. Sie hatte die Arme um ein Fallrohr geklammert, als wäre sie zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten.
    Ginger hörte, wie ich näher kam, konnte sich aber nicht unter Kontrolle bekommen. Ich blieb einen, zwei Schritte vor ihr stehen. So hatte ich noch nie jemanden weinen sehen.
    Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Aber ich mußte irgend etwas unternehmen. Ich legte Ginger die Hand auf die Schulter und sagte: »Die Kätzchen tauchen bestimmt wieder auf, Ginger.«
    Sie holte keuchend Luft und schrie mich an: »Verdammte Kätzchen! Ich kann sie nicht ausstehen!« Und dann klappte sie plötzlich zusammen.
    Ich kniete mich neben sie und versuchte, ihren Kopf in meinen Schoß zu betten. Aber sie schlug um sich.
    »Harry, Harry, Harry«, flüsterte sie wieder und wieder mit verzweifelter Beharrlichkeit. »Harry, o Gott, Harry.«
    Dann packte sie mich und zog mich an sich, und wir kauerten eng umschlungen in der Dunkelheit und Kälte auf dem Boden. Allmählich wurde das Mädchen ruhiger.
    Ihr Verhalten verblüffte mich, gelinde gesagt. Warum hatte sie eine so abgelegene Stelle gewählt, um sich auszuweinen? Jo weinte ja auch; aber im Haus, vor aller Augen. Es war doch ganz natürlich, um Harry zu weinen. Alles andere hätte mich in Erstaunen versetzt. Ein vielgeliebter Mann war ermordet worden. Doch Ginger wollte offensichtlich nicht, daß jemand sie weinen sah. Warum?
    Ich half ihr auf. Sie brachte kein Wort hervor und nickte mir zum Dank kaum merklich zu.
    Natürlich. Es mußte Jo Starobin sein, vor der Ginger ihre Trauer zu
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