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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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daß Bushy in seinem Käfig wieder mal aufsässig wurde, und so trommelte ich mit den Fingern auf den Deckel des Kastens, um den Kater zu beruhigen.
    Schließlich rief eine unpersönliche, gelangweilte Stimme: »Hiiicksville.« Ich packte meinen Seesack und die beiden Katzenkäfige, verließ den Zug, stieg die lange Treppe vom Bahnsteig hinunter, überquerte die Schnellstraße und gelangte auf den Parkplatz, wo Harry Starobin jedesmal auf mich wartete.
    Harry war nicht da. Ich wartete fünf, zehn, zwanzig Minuten, doch von Harry oder seinem klapprigen Kombi war weit und breit nichts zu sehen. Im Kopf ging ich noch einmal Harrys Anweisungen durch, um sicherzugehen, daß ich nichts verkehrt gemacht hatte. Nimm am ersten Weihnachtstag den 8-Uhr-22-Zug nach Hicksville. Verlasse den Bahnhof auf der Ostseite. Geh vom Bahnhof aus zum nördlichen Parkplatz am Supermarkt gegenüber der Schnellstraße. Genau das hatte ich getan. Wo steckte Harry?
    Um Viertel nach zehn stieg ich in ein Taxi und ließ mich zu den Starobins fahren. Das war nicht einfach, denn ich kannte ihre Anschrift nicht. Ich wußte aber, wie das Anwesen zu finden war, wenn ich erst an eine bestimmte Tankstelle gelangt war, unter einer bestimmten Hängeampel hindurch und so weiter. Deshalb mußte der Taxifahrer zahlreiche Umwege machen und sehr langsam fahren. Schließlich wurde es dem Mann zuviel. Er war so wütend, daß er mich, meinen Seesack und die Katzen auf die Straße warf – gleich neben dem Briefkasten der Starobins.
    Ich schaute mich um. Alles sah aus wie immer. Ich ging ein paar Schritte die Straße hinauf; dann stand ich vor der kiesbestreuten Zufahrt, die zum Haupthaus führte. Das alte, langhaarige Faktotum der Starobins, dessen Name ich immer vergaß, zerhackte mit einer Schaufel Eis. Er starrte mich an. Dann hackte er weiter. Er war schon ein komischer alter Vogel. Der baufällige Stall, den man über einen gesonderten Pfad erreichen konnte, existierte immer noch, links neben dem Haus. Ein uralter Karrengaul stand vor dem Stalltor und ließ sich genüßlich abbürsten. Der Atem stieg als weißer Dampf aus seinen Nüstern. Die junge Frau, die das Pferd striegelte, winkte mir zu. Ich winkte zurück. Sie war das Stallmädchen und hieß Ginger, wenn ich mich recht erinnerte.
    Das Cottage, in dem ich wohnen sollte, stand rechts neben dem Haupthaus und war über einen schmalen Pfad zu erreichen. Ich nahm die Körbe mit Bushy und Pancho und ging auf die Hütte zu. Der Pfad war erst vor kurzem von Eis und Schnee befreit worden; doch es gab noch ein paar kleine Eisflächen, denen man vorsichtig ausweichen mußte.
    Als ich mich langsam vorwärts bewegte, sah ich, daß Harrys Kombi in der Garage neben dem Haupthaus stand. Also war Harry drinnen. Er mußte schlicht und einfach vergessen haben, daß heute mein Anreisetag war. Der Gedanke erfüllte mich für einen Augenblick mit Zorn, doch er verrauchte rasch. Schließlich war Harry ein alter Mann. Falls ich so alt wurde wie er, würde ich mich vielleicht nicht einmal mehr an die Namen meiner Katzen erinnern.
    Ich gelangte an die Treppe, die zur Eingangstür des kleinen Fachwerkhauses mit ihrem gemauerten Schornstein führte, und ließ die beiden Katzenkörbe auf der Veranda stehen. Wie immer war die Tür nicht abgeschlossen: Als ich mit der Hand dagegenstieß, schwang sie weit auf. Die Hütte war alt, die Decke niedrig und die Luft im Innern feucht und muffig. Ich lächelte, als ich hineinging. Die Starobins hatten für mich saubergemacht. Der Fußboden war gefegt, und das Bett hatte man offensichtlich vor kurzem frisch bezogen; sogar die Kissen waren aufgeschüttelt. Ich schaute mich in der kleinen Küche um. Die Starobins hatten eine neue Deckenlampe anbringen lassen, und jemand hatte die Chromteile des Spülbeckens auf Hochglanz poliert.
    Ich ging wieder nach draußen, holte die beiden Katzenkörbe herein und öffnete die kleinen Türen. Bushy war mit einem Satz draußen, sprang aufs Bett und räkelte sich auf dem frisch aufgeschüttelten Kopfkissen. Pancho kam ganz langsam zum Vorschein und inspizierte die neue Umgebung auf mögliche Feinde und Fluchtwege. Ich holte den Seesack in das Cottage und legte ihn neben Bushy aufs Bett, um ihn dort auszupacken.
    Ich drehte mich um, wollte die Tür schließen und…… stand Harry Starobin Auge in Auge gegenüber. Er stand an der Tür und starrte mich an.
    »Harry!« rief ich freudig.
    Er sagte nichts.
    Ich wollte ihn gerade ins Gebet nehmen und ihn fragen,

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