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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein
Autoren: Lydia Adamson
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aus und stopfte meinen Kram in einen großen Seesack, den ich am Riemen über der Schulter tragen konnte, so daß beide Hände frei blieben, um die eingesperrten Katzen zu transportieren.
    Der Seesack war ein alter Freund. Eine Tante von mir – eine von diesen schrulligen alten Frauen, wie man sie nur in ländlich-bäuerlichen Gegenden antrifft – hatte mir den Sack Vorjahren geschenkt, als ich mich als junges Mädchen an der Schauspielschule des Tyron-Guthrie-Theaters in Minneapolis eingeschrieben hatte, um den ersten Schritt auf die Bretter zu tun, die die Welt bedeuten. Der Seesack hatte mit der Zeit so arg gelitten, daß ich mit ihm einmal im Jahr in den Waschsalon ging, um ihn bleich zu bekommen.
    An der Penn Station drängten sich alte Frauen mit Einkaufstaschen, in denen sich eingepackte Weihnachtsgeschenke befanden; ich sah Pärchen in enger Umarmung, die unter einem schweren Kater zu leiden schienen; ich sah Gruppen fremdsprachiger Leute, die auf ihren Gepäckstücken saßen und lautstark palaverten, und Hunderte heimatloser Menschen, die bei fünf Grad Kälte hierher gekommen waren und an den Wänden der geheizten Bahnhofshalle standen – ein ironischer Beitrag zum Fest der Liebe.
    Ich kaufte mir meine Fahrkarte, suchte den richtigen Bahnsteig und wartete auf den 8-Uhr-22-Zug nach Hicksville. Wie immer begann Bushy in seinem Katzenkorb zu randalieren – er kratzte, miaute und beklagte sich. Bushy haßte das Reisen. Pancho hingegen war ruhig; er saß grüblerisch in seinem Kasten und starrte stur vor sich hin.
    Nachdem der Zug in den Bahnhof eingefahren war und wir einsteigen konnten, entschied ich mich für einen der Doppelsitze am Ende des Waggons, damit ich die Katzenkörbe so hinstellen konnte, daß die beiden Insassen sich gegenseitig beobachten konnten. Das würde Bushy ein bißchen beruhigen – wenn er seinen Koller bekam, konnte er dabei wenigstens Pancho anfauchen.
    Der Zug fuhr los, und ich machte es mir im warmen Waggon gemütlich.
    Jedesmal, wenn ich zu den Starobins fuhr, kam ich mir wie ein kleines Mädchen vor, das ein Geburtstagsgeschenk abholen geht. Die Starobins waren ein wundervolles altes Ehepaar. Harry war neunundsiebzig Jahre alt. Er besaß einen langen, dünnen, zerbrechlichen Körper, eine dichte Mähne schneeweißen Haares und ein dermaßen faltiges Gesicht, daß es aussah, als wäre es mit einer Harke bearbeitet worden. Er war ein kämpferischer alter Mann, der Katzen und Pferde und Schmetterlinge und alle anderen Arten seltsamer Lebewesen liebte. Harry war ein bekannter Preisrichter bei Katzen-Schönheitswettbewerben, und ich war noch keinem Menschen begegnet, der mehr über Katzen wußte als er. Ihm zuzuschauen, wenn er mit seinen Himalayans spielte, war ein außergewöhnliches, schwindelerregendes Vergnügen.
    Immer, wenn ich an Harry Starobin dachte, wurde mir klar, daß ich mich tief in meinem perfiden Hirn danach sehnte, Harry möge der gute Vater/schlechte Vater sein, den ich nie gehabt hatte. Das war ziemlich beunruhigend.
    Was Jo Starobin betraf – sie paßte zu Harry. Jo war eine kleine Frau mit kurz geschnittenem weißem Haar, immer hektisch und voller Unrast, die Harry in aller Öffentlichkeit fröhlich attackierte und sich wüst mit ihm stritt, um sich dann in aller Öffentlichkeit mit ihm zu versöhnen. Ich kannte kein anderes Paar dieses Alters, dem Sex noch so viel Spaß zu machen schien, als wären sie frisch verheiratet.
    Und was das Anwesen der Starobins betraf – es sah so aus, als hätte jemand einen russischen Bauernhof aus dem neunzehnten Jahrhundert in das sehr noble Old Brookville versetzt. Die Gebäude verfielen; der Anstrich blätterte ab; die Teppiche waren dünn und abgelaufen; die Pferde waren alt, und einen Viehbestand gab es nicht. Mangels bezahlter Rechnungen waren die Heizung abgedreht und der Telefonanschluß stillgelegt worden. Die Starobins waren offensichtlich reich an Grundbesitz, jedoch sehr arm an Bargeld; aber es schien ihnen nicht das geringste auszumachen. Normalerweise brauchten sie sechs Monate, bis sie mir den vollen Lohn für meinen Catsitter-Job bezahlt hatten; andererseits fiel die Bezahlung sehr großzügig aus. Bei den Starobins war alles großzügig.
    Dann schlief ich ein. Als ich aufwachte, dachte ich über Carlas Angebot nach, in ihrer Portobello-Produktion die Wärterin zu spielen, Julias Ex-Amme. Ich hatte Carla versprochen, mir die Sache durch den Kopf gehen zu lassen – und das wollte ich wirklich. Ich bemerkte,
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