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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein
Autoren: Lydia Adamson
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Schädel eingeschlagen; dann haben die Täter ihn aufgehängt. Wenn wir, die Kriminalpolizei, diese Liste bekommen, dann fassen wir auch die Täter.«
    Er hielt inne; dann beugte er sich zu mir vor, musterte mich besorgt und fragte: »Wie fühlen Sie sich?«
    »Gut.«
    »Das muß ein furchtbarer Anblick gewesen sein. Gestern abend standen Sie noch unter Schock«, sagte er, wechselte Hut und Mantel in die andere Hand und seufzte leise. »Können Sie mir noch mehr über Harry erzählen?«
    »Er war ein wunderbarer alter Herr.«
    »Ja, das habe ich schon mehrmals gehört. Aber können Sie mir irgend etwas Wichtiges sagen?«
    »Wie wär’s mit seiner Schuhgröße?« erwiderte ich gehässig. Senays Methode, mich über Harry auszufragen, ging mir langsam auf die Nerven.
    Eine der Himalayan-Katzen sprang zu mir hinauf und schmiegte sich an meinen Arm. Ich kraulte sie sanft.
    »Ich habe Katzen nie gemocht«, erklärte Senay; dann fragte er: »Sie verdienen sich damit Ihren Lebensunterhalt? «
    »Womit?«
    »Indem Sie auf Katzen aufpassen.«
    »Mehr oder weniger«, antwortete ich. Senay hob staunend die Brauen. Ich wollte ihm gerade sagen, daß ich sowohl Schauspielerin als auch Catsitterin sei, doch plötzlich drang ein Schwall kalter Luft herein, der durch die Eingangstür ins Zimmer wehte.
    Es war das Stallmädchen, Ginger. Sie machte die Tür hinter sich zu und ging mit schnellen Schritten zu Jo. Das Mädchen war sichtlich aufgeregt.
    »Mrs. Starobin, Veronica und ihre Jungen sind weg! Verschwunden!«
    Ginger holte tief Luft und zupfte an ihrem dichten, langen roten Haar. Sie trug mehrere Pullover übereinander, was sie noch stämmiger aussehen ließ, als sie ohnehin schon war.
    »Zuerst dachte ich, die vielen Polizeiwagen hätten Veronica Angst gemacht, so daß sie in den Wald geflüchtet ist. Aber ich suche sie jetzt schon seit Stunden. Sie ist weg! Verschwunden! Sie und alle ihre Jungen!«
    Gingers Stimme klang weinerlich, verängstigt und schuldbewußt, als würde sie um Absolution für irgend etwas bitten, das sie eindeutig als ihre Schuld betrachtete.
    Jo schlug die Augen auf und starrte das Stallmädchen an. Dann sprang sie plötzlich auf und rief: »Halt’s Maul!«
    Es war ein dermaßen explosiver, gewaltsamer Ausbruch, daß die Himalayan-Katzen in sämtliche Zimmerecken flitzten, um sich in Deckung zu begeben.
    »Wer ist Veronica, Mrs. Starobin?« fragte Senay.
    Jo ließ sich in den Schaukelstuhl sinken, sichtlich erschüttert. »Die Stallkatze« murmelte sie.
    Dann fuhr sie wieder das Mädchen an: »Harry ist tot, und du kommst hier herein und jammerst mir wegen der Stallkatze die Ohren voll! Ich wette, sie ist mit ihren Jungen auf dem Heuboden… oder auf dem Dach. Weißt du denn nicht, daß Harry tot ist?«
    Ginger konnte den Zorn der alten Frau nicht mehr ertragen. Sie wandte sich um und stürmte aus dem Haus.
    »Ich muß jetzt nach oben«, murmelte Jo, als das Mädchen verschwunden war. »Ich muß mich hinlegen. Ich muß nachdenken.«
    Sie erhob sich aus dem Schaukelstuhl und ging davon. Zuerst schwankte sie leicht; dann wurden ihre Bewegungen sicherer. Wir hörten ihre dumpfen Schritte, als sie die hölzerne Treppe hinaufstieg.
    Detective Senay setzte sich in den Schaukelstuhl. Er schien erleichtert zu sein, daß Jo gegangen war. Draußen wurde es jetzt rasch dunkel. Ich hatte mir für achtzehn Uhr ein Taxi bestellt, das mich zum Bahnhof bringen sollte. Ich wollte erst in letzter Minute in das Cottage, in dem ich den ermordeten Harry aufgefunden hatte, um meine Sachen zu holen; aber mit einem Polizisten im Wohnzimmer zu hocken war auch nicht gerade nach meinen Geschmack. So langsam wurde mir klar, daß ich den Kerl nicht leiden konnte. Aber warum? Die Polizisten, die mir in Stony Brook begegnet waren, als ich wegen des angeblichen Selbstmordes meines Freundes dorthin gefahren war, hatte ich auch nicht leiden können. Ich gelangte zu der Ansicht, daß meine Abneigung gegen Polizisten darauf zurückzuführen war, wie sie mit tragischen Vorfällen umgingen. So, als würden sie sich auf gut Glück irgendein Drehbuch nehmen und das Stück auf Teufel komm raus zu Ende spielen, egal, wie verrückt es war. Senays Theorie, daß in diesem Fall der Diebstahl das entscheidende war und nicht der Mord an Harry, erschien mir in Anbetracht der offensichtlichen Armut der Starobins als besonders weit hergeholt.
    Detective Senay schaukelte jetzt genauso, wie es vorhin Jo getan hatte. Der Schock, den ich bei der Entdeckung
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