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Eine Jungfrau Zu Viel

Titel: Eine Jungfrau Zu Viel
Autoren: Lindsey Davis
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stundenlang Stöcke aneinander gerieben; wahrscheinlicher war, dass sie Glut von den brennenden Gartenabfällen näher beim Haus geholt hatte. Die Asche ihres vorgetäuschten Vestalinnenfeuers, jetzt natürlich kalt, bildete einen ordentlichen Kreis, der sich deutlich von den großen Haufen verbrannter Gartenabfälle unterschied. Wenn mir gestern jemand das hier gezeigt hätte, wäre ich dem Kind sofort auf die Spur gekommen.
    Ich entdeckte einen umgekippten Küchenkrug.
    Nux rannte zu dem Krug, schnüffelte daran, rannte weiter, legte sich mit der Nase zwischen den Pfoten hin und jaulte verzweifelt.
    »Gut gemacht, Nuxie. Ich komme …«
    Rasch war mir klar, was passiert war. Kleine Hände hatten das Unkraut zurückgezerrt und eine alte Treppe mit vier oder fünf flachen Steinstufen entdeckt. Farn wuchs in den Rissen, und die unteren Stufen waren schleimig grün. Jeder, der mit Quellen Bescheid wusste, hätte sofort erkannt, dass hier früher Wasser geschöpft wurde, obwohl es ein unbequem langer Weg bis zum Haus war. Selbst eine Sechsjährige, hell und aufgeweckt, hätte kapiert, was sie gefunden hatte, und, nachdem ihr verboten worden war, das Küchenpersonal zu belästigen, versucht hier ihren Krug zu füllen. Die Stufen führten zum Rand eines Brunnenschachtes, den man wohl abgedeckt hatte, als er nicht mehr in Gebrauch war. Mit den Jahren waren die Bretter verrottet. Als Gaia versuchte sie zu bewegen oder draufzusteigen, hatten einige nachgegeben und waren in den Schacht gefallen. Gaia musste mit ihnen gefallen sein.
    Ich kniete mich an den Rand und beugte mich zu weit hinüber. Ein knirschendes Geräusch erschreckte mich; der Rand war gefährlich bröcklig. Unten war nur Dunkelheit zu sehen. Ich rief. Stille. Sie war ertrunken oder hatte sich beim Sturz das Genick gebrochen. Nux begann wieder zu bellen, mit diesem schrecklichen, scharfen, jaulenden Ton. Ich packte die Hündin und hielt sie fest. Unter ihrem Brustkorb spürte ich, dass ihr Atem genauso schnell ging wie meiner. Mir brach das Herz.
    »Gaia!« , brüllte ich in den widerhallenden Schacht.
    Und dann antwortete mir ein schwaches Wimmern aus der undurchdringlichen Dunkelheit.

LVI
     
     
    Ich überlegte immer noch, wie ich Hilfe holen sollte, als eine Stimme ganz in der Nähe meinen Namen rief.
    »Aulus! Hier rüber – schnell.«
    Mein neuer Partner mochte zwar ein verwöhnter, mürrischer Senatorensohn sein, aber er wusste, welche Aufgaben Vorrang hatten. Als Einziger aus der Menge im Atrium war er mir gefolgt. Ich hörte ihn fluchen, während er sich durch die Büsche zwängte, sich die Tunika zerriss oder Kratzer von den Dornen bekam.
    »Vorsichtig«, warnte ich ihn mit leiser Stimme, bevor ich mich wieder umdrehte und nach unten rief: »Gaia! Beweg dich nicht. Wir sind jetzt hier.«
    Aelianus hatte mich erreicht. Er begriff sofort, deutete mit dem Zeigefinger nach unten und verzog schweigend das Gesicht.
    »Wir brauchen Hilfe«, stöhnte ich. »Wir brauchen Petronius Longus. Nur die Vigiles sind für so was ausgerüstet. Ich möchte, dass du sie holst. Ich bleibe bei dem Kind und versuche es ruhig zu halten. Beschreib Petro die Situation …« Ich hockte mich neben den Schacht und schaute hinunter. »Sag ihm: Der Brunnen sieht tief aus. Das Kind hört sich an, als wäre es sehr tief unten. Sie lebt, ist aber sehr schwach. Ich schätze, sie ist seit über zwei Tagen da unten. Jemand muss zu ihr runtersteigen. Wird ‘ne Sauarbeit.«
    »Sehr schwierig?«, interpretierte Aelianus steif.
    »Wir brauchen hauptsächlich Seile, doch auch alles andere an nützlicher Ausrüstung, was die Vigiles zu bieten haben.«
    »Licht«, schlug er vor.
    »Ja. Aber vor allem brauchen wir das Zeug schnell.«
    »Klar.« Er stapfte los.
    »Aulus, hör zu – ich will, dass du selber gehst. Lass dich im Haus nicht aufhalten.«
    »Ich geh nicht durchs Haus«, sagte er. »Hilf mir rauf. Ich klettere hier über die Mauer. Dann bin ich direkt auf der Straße und kann losrennen.«
    »Gute Idee. Die Straße ist nicht weit vom Hauptquartier der Vierten Kohorte entfernt.« Ich erklärte ihm den Weg, während wir die Aufgabe in Angriff nahmen, ihn auf und über die hohe Mauer am Ende des Grundstücks zu bugsieren. Er war kein Leichtgewicht. Bei meinem nächsten Partner würde ich darauf achten, dass es ein dünner, halb verhungerter Bursche war.
    »Jupiter! Falco, deine Arbeit scheint ja nur daraus zu bestehen, irgendwo rein- und rauszuklettern …« Nach einigem Stöhnen und
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