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Eine hinreißende Schwindlerin

Eine hinreißende Schwindlerin

Titel: Eine hinreißende Schwindlerin
Autoren: COURTNEY MILAN
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hellbraun, und wie üblich lächelte er sie offen und freundlich an. Normalerweise hätte sie ihn unbeschwert begrüßt, doch an diesem Tag stand ein weiterer Mann hinter Ned. Der Fremde war außerordentlich groß, sogar noch größer als Ned. Er trat einen Schritt zurück und verschränkte sichtlich missbilligend die Arme vor der Brust.
    „Madame Esmeralda, ich bedauere, Ihnen nicht angekündigt zu haben, dass ich heute einen Gast mitbringe“, sagte Ned.
    Jenny spähte an ihm vorbei. Der Mantel des Mannes war lässig aufgeknöpft. Irgendein Schneider musste viele Stunden damit verbracht haben, dieses exquisit sitzende Kleidungsstück anzufertigen. Es war eng anliegend genug, um die Figur zur Geltung zu bringen, aber dennoch weit genug, um seinem Träger Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Das sandfarbene Haar des Fremden war zerzaust, seine Krawatte mit einem schlichten Knoten gebunden. Die Einzelheiten seiner Garderobe sprachen von ungeduldiger Arroganz, als interessierte ihn sein Erscheinungsbild nur am Rande, weil seine Aufmerksamkeit wichtigeren Dingen galt.
    Diese Aufmerksamkeit richtete sich jetzt auf Jenny, und ihr jagte ein Schauer über den Rücken. Mit einem einzigen abschätzenden Blick nahm er ihre Aufmachung in sich auf. Sie schluckte.
    „Madame Esmeralda, das ist mein Cousin“, meinte Ned. Der andere Mann räusperte sich gereizt und Ned seufzte. „Ja, Blakely. Darf ich dich mit Madame Esmeralda bekannt machen?“ Er sprach so monoton, dass es eigentlich gar keine Frage war. „Madame, das ist Blakely. Genauer gesagt, Gareth Carhart, Marquess of Blakely. Und so weiter und so fort.“
    Jenny zuckte kaum merklich zusammen, bevor sie knickste. Ned hatte schon einmal von seinem Cousin gesprochen. Aufgrund von Neds Beschreibung hatte sie sich den Marquess alt und vielleicht schon ein wenig senil vorgestellt, besessen von Fakten und Zahlen.
    Neds Cousin sollte kalt, distanziert und schrecklich unhöflich sein, ein Mann, der so auf seine eigenen wissenschaftlichen Interessen fixiert war, dass er die Menschen in seiner Umgebung kaum wahrnahm. Doch dieser Mann hier war nicht distanziert; obwohl er gut zwei Schritt von Jenny entfernt stand, spürte sie dank seiner Gegenwart ein Prickeln auf ihrer Haut . Er war ganz und gar nicht alt, schlank, ohne mager zu wirken, und seine bläulich schimmernden Wangen zeugten vom gesunden Bartwuchs eines Mannes in seinen besten Jahren. Vor allem aber war nichts Weltfremdes, Abwesendes an ihm. In Gedanken hatte Jenny Neds Augen oft mit denen eines Hundes verglichen – warm, schimmernd und vertrauensvoll. Sein Cousin hingegen hatte die Augen eines Löwen, goldbraun, raubtierhaft und wild.
    Jenny stieß insgeheim ein Dankgebet aus, dass sie keine Gazelle war.
    „Kommen Sie doch herein, nehmen Sie Platz“, forderte sie die beiden mit einer einladenden Geste auf. Die Männer ließen sich auf Stühlen nieder, die unter ihrem Gewicht knarrten. Jenny blieb stehen. „Ned, womit kann ich Ihnen heute behilflich sein?“
    Ned strahlte sie an. „Nun, Blakely und ich haben gestritten. Er glaubt nicht, dass Sie die Zukunft voraussagen können.“
    Das glaubte Jenny auch nicht; es war ihr unangenehm, mit ihm einer Meinung sein zu müssen.
    „Wir haben vereinbart – er will die Genauigkeit Ihrer Vorhersagen wissenschaftlich nachweisen.“
    „Nachweisen? Wissenschaftlich?“, entfuhr es ihr, als hätte man ihr einen Hieb in den Magen versetzt. Haltsuchend klammerte sie sich an die Kante des Tisches vor ihr. „Nun, das wäre …“ Unwahrscheinlich? Ungut? „Nun, dagegen wäre nichts einzuwenden. Wie wird er vorgehen?“
    Ned nickte seinem Cousin zu. „Los, Blakely. Stell ihr irgendeine Frage.“
    Lord Blakely lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er hatte bislang noch nicht ein einziges Wort gesagt, sich allerdings gründlich im Zimmer umgesehen. „Du willst, dass ich ihr eine Frage stelle?“ Er sprach langsam und gedehnt. „Ich suche Antworten in der Logik, nicht bei alten Scharlatanen.“
    Ned und Jenny brausten gleichzeitig auf. „Sie ist kein Scharlatan!“, protestierte Ned.
    Doch Jenny stemmte aus einem ganz anderen Grund empört die Hände in die Hüften. „Dreißig ist kein Alter!“
    Ned sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Betretene Stille breitete sich aus. Es war ein Beweis für ihre Aufregung, dass sie ihre Rolle als Madame Esmeralda ganz vergessen hatte; stattdessen hatte sie wie eine normale Frau reagiert.
    Und das war dem Marquess nicht entgangen. Der
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