Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine hinreißende Schwindlerin

Eine hinreißende Schwindlerin

Titel: Eine hinreißende Schwindlerin
Autoren: COURTNEY MILAN
Vom Netzwerk:
Blick seiner goldbraunen Augen schweifte von dem Tuch um ihren Kopf zu der grellbunten Kleidung, die ihre Figur verbarg, und durchdrang dabei jede einzelne Lage von Stoff, eine typisch männliche Begutachtung. Jenny erbebte unwillkürlich.
    Und dann wandte der Marquess den Blick ab. Ein flüchtiges Zucken seiner Mundwinkel, ein leises Ausatmen – und damit tat er sie als bedeutungslos ab.
    Jenny war keine Dame, keine gesellschaftlich passende Partie für Lord Blakely. Sie war nicht der Typ Frau, vor der er den Hut ziehen würde, wenn er ihr auf der Straße begegnete. Sie hätte solche oberflächlichen Zurückweisungen eigentlich gewohnt sein müssen, doch tief im Innern fühlte sie sich plötzlich verwundbar und zerbrechlich. Ihre Fingernägel gruben sich schmerzhaft in ihre Handflächen.
    Madame Esmeralda wäre es gleichgültig gewesen, ob dieser Mann sich für sie interessierte oder nicht. Madame Esmeralda geriet niemals in Wut. Daher schluckte Jenny den Kloß in ihrem Hals herunter und setzte ein geheimnisvolles Lächeln auf. „Und ich bin auch kein Scharlatan.“
    Lord Blakely zog eine Braue hoch. „Was noch zu beweisen wäre. Da ich nicht den Wunsch hege, Antworten für meine Person zu finden, finde ich, Ned sollte Sie befragen.“
    „Aber das habe ich doch schon getan!“ Ned breitete die Arme aus. „Nach allem ! Nach Leben und Tod!“
    Blakely verdrehte die Augen. Ohne Zweifel wertete er Neds dramatischen Protest als jugendlichen Überschwang. Jenny jedoch wusste, dass er die Wahrheit sagte. Vor zwei Jahren war er in ihr Zimmer spaziert und hatte die Frage gestellt, die ihr beider Leben verändert hatte. „Gibt es irgendeinen Grund, warum ich mich nicht umbringen sollte?“
    Damals hatte Jenny jegliche Verantwortung von sich weisen wollen. Ihr erster Impuls war gewesen, sich von dem Jungen fernzuhalten und ihm zu sagen, sie könnte gar nicht in die Zukunft sehen. Aber ein Neunzehnjähriger stellte eine solche Frage nicht einer völlig Fremden, weil er vernünftig über seine Alternativen nachdachte. Schon zu der Zeit hatte Jenny erkannt, dass der junge Mann gefragt hatte, weil er keinen anderen Ausweg mehr wusste.
    Also hatte sie gelogen. Sie hatte ihm gesagt, sie sähe viel Glück in seiner Zukunft und es lohne sich für ihn, weiterzuleben. Er hatte ihr geglaubt und so allmählich mit der Zeit seine Verzweiflung überwunden. Jetzt stand er ihr beinahe selbstbewusst gegenüber.
    Es hätte ein Triumph für sie sein sollen, eine weitere gute Tat auf ihrer Liste. Doch an jenem ersten Tag hatte sie ihm nicht nur etwas von seiner Verzweiflung genommen, sondern auch sein Geld. Seitdem waren sie und Ned fest miteinander verbunden in diesem Geflecht aus Geld und Täuschung.
    „Leben und Tod?“ Lord Blakely befühlte den billigen Stoffüberwurf seines Stuhls. „Dann haben Sie gewiss kein Problem mit meinem wesentlich prosaischeren Vorschlag. Bestimmt ist Ihnen klar, dass Ned heiraten muss. Madame – Esmeralda, nicht wahr? –, warum nennen Sie mir nicht den Namen der Frau, für die er sich entscheiden sollte?“
    Ned erstarrte und Jenny lief es kalt den Rücken herunter. Einen Ratschlag mit spirituellem Gefasel zu tarnen, war eine Sache. Doch sie wusste, dass Ned bislang die Ehe gescheut hatte, und das aus gutem Grund. Sie hatte nicht die Absicht, ihn in eine Falle zu locken. „Solche Details enthüllen die Geister nicht“, wich sie geschickt aus.
    Der Marquess zog einen Bleistift aus seiner Tasche und befeuchtete die Spitze. Er beugte sich über ein Notizbuch und fing an zu schreiben. „Kann die Zukunft nicht präzise voraussagen.“ Er sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. „Das wird ein verdammt kurzer Test Ihrer Fähigkeiten, wenn Sie nichts Besseres zustande bringen.“
    Jenny verschränkte gereizt die Hände. „Was ich mit einer gewissen kosmischen Klarheit sagen kann“, erwiderte sie langsam, „ist, dass er ihr schon bald begegnen wird.“
    „Da!“, rief Ned triumphierend aus. „Da hast du deine präzise Aussage!“
    „Hm.“ Lord Blakely betrachtete stirnrunzelnd seine Notizen. „Kosmische Klarheit? Ganz gleich, welches Mädchen Ned über den Weg läuft – wahrscheinlich würden Sie immer sagen, es würde ihm bald begegnen. Komm schon, Ned, verfügt sie nicht angeblich über ein verborgenes Wissen?“
    Jenny presste die Lippen aufeinander und wandte sich mit raschelnden Röcken ab. Blakely ließ sie nicht aus den Augen, doch als sie ihm einen Blick über die Schulter zuwarf, sah er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher