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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche
Autoren: Jefferson Bass
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warten mussten, um anzufangen«, sagte Art. »Ist ja nicht so, als würde es nachts hübsch kühl. Es sind immer noch locker zweiunddreißig Grad, und wenn der Mond ein bisschen was von der Feuchtigkeit verdunstet, kann es hier ganz schnell über fünfunddreißig Grad heiß werden.«
    »Es ist nicht wegen der Hitze«, sagte ich zu Miranda, »es ist wegen der Dummheit. Möchten Sie es unserem Sherlock hier erklären?«
    »Sicher, Chef«, sagte sie. »Ich lebe, um zu dienen.« Sie wandte sich an Art. »Unser oberstes Ziel ist es natürlich, das ganze Weichgewebe zu verbrennen, sodass am Ende nichts übrig bleibt als die versengten Knochen – vergleichbar mit denen in dem Fall, an dem Sie arbeiten.«
    »Das verstehe ich«, sagte Art, »und ich weiß das wirklich zu schätzen. Nein, ehrlich. Aber brennen die Knochen nicht bei Tag genauso gut wie bei Nacht? Oder wisst ihr Osteologen etwas, in das wir Normalsterbliche nicht eingeweiht sind?«
    »Vieles«, sagte Miranda. »Die Leichen brennen bei Tag genauso gut, aber der Prozess lässt sich nicht annähernd so gut fotografieren, und wir wollen den Verlauf en détail filmisch festhalten.« Sie zeigte auf die vier Stative mit den digitalen Videokameras, die wir neben den Autos aufgestellt hatten. Eine Kamera war jeweils auf die Windschutzscheibe eines Autos gerichtet, eine andere durchs Fahrerfenster. »Wenn wir das tagsüber machen würden, wäre auf den Videos nichts als Rauch zu sehen. Von der Sonne von außen beleuchtet, stiehlt der Rauch dem Rest die Show. Von innen, von den Flammen beleuchtet, ist das weiche Körpergewebe astrein zu sehen, während es verbrennt.«
    »Ich weiß«, sagte Art.
    »Ich weiß, dass Sie das wissen«, sagte Miranda. »Sie wollten nur mal antesten, ob ich es auch weiß. Richtig?«
    »Richtig.« Trotz seines leisen Murrens wegen der späten Stunde wusste ich, dass Art froh war, hier draußen dabei zu sein, statt vor einem Computer zu hocken und mit Pädophilen zu chatten. Vor sechs Monaten hatte er den wenig attraktiven Auftrag bekommen, die Tennessee-Spezialeinheit zur Internetkriminalität gegen Kinder ins Leben zu rufen und Sexualstraftäter aufzustöbern, die im weltweiten Netz nach minderjährigen Opfern fischten. Seither hatte er sich unzählige Stunden als »Tiffany« ausgegeben, eine Vierzehnjährige, die nichts lieber tat, als zu chatten. Obwohl Art stolz darauf war, die Sorte Männer in die Falle zu locken und zu verhaften, die hinter den Tiffanys dieser Welt her waren, fand er die Arbeit traurig, anstrengend und deprimierend. Die Erlaubnis, an einem altmodischen Mordfall mitzuarbeiten – etwas, was er im Vergleich zu Pädophilie recht bekömmlich fand –, war ihm eine willkommene Abwechslung.
    »Okay, ihr beiden«, sagte ich, »etwas weniger Geplauder, etwas mehr Action.«
    Miranda kramte in einer Tasche ihres Overalls herum. »Rock ’n’ Roll«, sagte sie und schnipste ein Wegwerffeuerzeug an. An der Spitze erschien eine Stichflamme. Miranda schwankte ein wenig, wie betrunken oder zugedröhnt, schwenkte das Feuerzeug durch die Luft und sang: » SMOKE on the WA-ter , a FI-re IN the sky .«
    Ich lachte. »Sind Sie nicht ein wenig zu jung, um dieses Lied zu kennen, kleines Fräulein? Das stammt noch aus meiner Sturm- und Drangzeit.«
    »Das hat mein Großvater immer auf dem Grammophon gespielt, wenn er ein Wollhaarmammut grillte, das er mit der Keule erschlagen hatte.« Sie grinste, und ihre Zähne schimmerten im Licht der Flamme.
    »Sehr witzig«, sagte ich. »Erinnern Sie mich daran, auf dem Heimweg ins Altersheim zu lachen.«
    »Autsch«, sagte sie, doch das war keine Antwort auf meine schlagfertige Retourkutsche. Sie nahm den Daumen vom Hebel, und die Flamme erlosch.
    »Geschieht Ihnen ganz recht«, sagte ich. »Okay, schauen wir zu, dass wir ein paar Fakten zusammentragen.« Ich ging zu dem einen Wagen und Miranda zu dem anderen. Ich holte ein Streichholzbriefchen aus der Tasche, riss ein Streichholz an – ich brauchte drei Versuche, bis ich an dem winzigen Streifen unten am Briefchen genug Reibung erzeugte – und zündete dann mit dem einen Hölzchen auch die übrigen an. Das Streichholzbriefchen explodierte in einer Feuersalve, die größer war, als ich erwartet hatte, und ich warf es reflexartig durch das offene Wagenfenster. Die benzingetränkte Polsterung entzündete sich mit einem Aufblitzen und einem Brausen, und ich fragte mich, ob ich mit dem Brandbeschleuniger zu freizügig gewesen war. Als ich die sengende Hitze
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