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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche
Autoren: Jefferson Bass
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abgelegene Weide mitgebracht. Dieses Experiment konnte ich unmöglich näher an der Innenstadt, dem Campus der University of Knoxville oder dem Krankenhaus durchführen. Für das, was ich vorhatte, brauchte ich Abgeschiedenheit, Dunkelheit und Privatheit.
    Ich wandte den Blick von der leuchtenden Stadt ab und besah mir die beiden Autos, die in meiner Nähe im hohen Gras standen. Im schwachen Licht war kaum zu erkennen, dass es verrostete alte Wracks waren. Es war auch schwer auszumachen, dass die beiden Gestalten hinter den Steuern Leichen waren – ausgediente Körper, denen in ausgedienten Autos ein wahrer Höllentrip bevorstand.
     
    Der Fahrer des Abschleppwagens, der die Schrottautos – ohne ihre toten Insassen – vor einigen Stunden zu dem Farmgelände der University of Knoxville gebracht hatte, hatte mich schlichtweg für verrückt erklärt. »Meistens«, sagte er, »schleppe ich solche Autos zum Schrottplatz und nicht vom Schrottplatz weg.«
    Ich lächelte. »Es ist ein landwirtschaftliches Experiment«, sagte ich. »Wir verpflanzen Wracks, um zu schauen, ob dort dann ein neuer Schrottplatz Wurzeln schlägt.«
    »Oh, das wird er«, sagte er, »das garantiere ich Ihnen. Sobald sich rumspricht, dass hier oben ein neuer Abladeplatz ist, haben Sie, bevor Sie sichs versehen, eine Rekordernte an Pkws, Lastern und Waschmaschinen.« Er spuckte einen klebrigen Faden Tabaksaft aus, der durch den Staub rollte und dann zitternd liegen blieb. »Mist, ich kenne einen Haufen Leute, die bei dem Experiment gerne mitmachen würden.«
    Ich lachte. »Trotzdem vielen Dank«, sagte ich. »Aber eigentlich war das gelogen. Wir führen ein Experiment durch, aber kein landwirtschaftliches, sondern ein forensisches. Wir werden in diesen Autos zwei Leichen verbrennen und die verkohlten Knochen untersuchen.«
    Misstrauisch beäugte er mich, als könnte ich ihn jeden Augenblick zwangsweise als Forschungsgegenstand rekrutieren, doch dann breitete sich auf seinem ledrigen Gesicht ein Grinsen aus. »Ah, zum Teufel, Sie sind dieser Knochendetektiv, nicht wahr? Dr. Bodkin?«
    »Brockton«, ich lächelte wieder, »aber das war schon nah dran.«
    »Sie sind mir gleich irgendwie bekannt vorgekommen. Meine Frau ist ein großer Fan von diesen ganzen gerichtsmedizinischen Serien im Fernsehen. Sie redet immer davon, Ihnen ihren Körper zur Verfügung zu stellen. Aber ich glaube, ich fände das nicht so toll.«
    »Na, so dringend ist es nicht«, versetzte ich. »Wir können alle Leichen brauchen, die wir bekommen, aber wir kriegen ziemlich viele. Inzwischen fast hundertfünfzig pro Jahr. Wenn sie irgendwann mal bei uns landet, finden wir eine gute Verwendung für sie, aber wir kommen auch ohne sie zurecht.«
    Er warf einen Blick auf die mit Fiberglas verkleidete Ladefläche meines Pick-ups. »Haben Sie die Leichen hinten im Wagen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »In dem Fall«, sagte ich, »wäre ein riesiger Fliegenschwarm drumherum. Und bei der Hitze würde man auch etwas riechen. Wir warten bis zur letzten Minute, bevor wir sie hier rausbringen. Für so etwas nehmen wir einen Pick-up von der Uni, nicht meinen eigenen.«
    Er nickte anerkennend – ich sah förmlich, wie er dachte, dass ich zwar verrückt sein mochte, aber wenigstens nicht so dämlich, mir das Auto vollzustinken. Nachdem er die Schrottautos vom Abschleppwagen abgeladen hatte, winkte er mir mit einer ausholenden Geste, hupte zweimal und fuhr davon. Wenn er seiner gerichtsmedizinbegeisterten Frau beim Abendessen die Geschichte gut erzählte, konnte er sie vielleicht dazu bringen, ihren Körper in dieser Nacht ihm zur Verfügung zu stellen.
     
    »Ich bin immer noch schockiert, dass wir etwas rekonstruieren, was auf der Latham-Farm passiert ist.« Miranda Lovelady, die seit vier Jahren meine Forschungsassistentin war, trat im Dämmerlicht neben mich. »Ich war ein Dutzend Mal in der Scheune und zwei- oder dreimal auch im Haus. Ich mochte Mary Latham. Kaum zu glauben, dass sie im Auto verbrannt ist.«
    »Wie es scheint, konnte es der Staatsanwalt auch nicht recht glauben«, sagte ich, »denn er hat sowohl mich als auch Art persönlich angerufen und uns gebeten, uns die Sache mal anzusehen. Sie haben mir nie erzählt, woher Sie die Lathams kennen.«
    »Ich habe sie während meiner kurzen Laufbahn als Studentin der Tiermedizin kennen gelernt«, sagte sie. »Mary war mit einigen der Studierenden dort befreundet; sie hat auf der Farm so manche Party geschmissen. Irgendwie bin ich auf ihre
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