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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche
Autoren: Jefferson Bass
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Gästeliste gekommen. Oder auf die ihres Mannes.« Ihre Stimme bekam eine leichte Schärfe, als sie den Ehemann, – beziehungsweise den Witwer erwähnte.
    »Klingt ja nicht so, als würden Sie ihn besonders mögen«, sagte ich in der Hoffnung, sie würde mehr erzählen. Was sie prompt tat.
    »Ich musste mich einmal in einer Pferdebox gegen ihn wehren.«
    »Gütiger Himmel«, sagte ich, »er wollte Sie vergewaltigen?«
    »Nein, so schlimm war es nicht«, sagte sie. »Er ist zudringlich geworden und wollte ein Nein nicht akzeptieren.« Sie schwieg, und ich hatte das Gefühl, dass an der Geschichte mehr dran war, als sie sagen wollte. »Er war ein Blödmann, aber gefährlich war er nicht. Wenigstens dachte ich das. Aber vielleicht habe ich mich ja getäuscht.«
    »Vielleicht wäre es mir hinterher lieber, ich hätte nicht gefragt«, sagte ich, »aber was haben Sie mit ihm in einer Pferdebox gemacht?«
    Wieder Schweigen. »Es war eine Institutsfete«, sagte sie. »Die Tiere standen auch auf der Gästeliste. Und nein «, sagte sie scharf, » so meine ich das nicht. Das Bierfass stand in der Scheune. Und daneben ein paar Schüsseln mit Apfelstücken für die Pferde.« Trotz der Dunkelheit sah ich ein kurzes Lächeln. »Wenn ich Bier rieche, rechne ich auch jetzt noch halb damit, Heu zu riechen und das leise Wiehern von Pferden zu hören.« Das Lächeln verblasste. »Wir hatten richtig viel Spaß. Bis es dann keinen Spaß mehr gemacht hat.« Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie ein lästiges Insekt oder eine unschöne Erinnerung abschütteln.
    »Wann haben Sie die Lathams das letzte Mal gesehen?«
    »Sie kurz nachdem ich in die Anthropologie gewechselt habe; ihn noch mal ungefähr ein Jahr später. Ich bin nicht mehr zu den Partys gegangen, und eines Tages stand er plötzlich im Knochenlabor. Sagte, er wolle ganz sicher gehen, dass ich wüsste, dass ich auf der Farm jederzeit willkommen sei. Jederzeit, sagte er.« Mit einem Nicken wies sie auf die Schrottautos. »Sind wir hier so weit?«
    »Ich denke schon«, meinte ich. »Ich schaue mal, was Art macht.« Ich sah mich um und entdeckte Art Bohanans dunkle Gestalt schließlich halb verborgen hinter dem einzigen Baum auf der Weide. »Art!«, rief ich. »Benimm dich – wir haben eine Dame bei uns!«
    »Oh. Tut mir leid«, rief er zurück, trat vom Baum weg und zog den Reißverschluss hoch. »Ich dachte, das wärst nur du und Miranda.« Er zeigte auf den Baum. »Ich habe nur dafür gesorgt, dass dieser schöne Baum nicht Feuer fängt.«
    »Sehr umweltfreundlich von Ihnen, Sie Ferkel«, sagte Miranda.
    »Für Sie immer noch ›Officer Ferkel‹«, sagte Art gut gelaunt. Er hatte sich, genau wie ich, längst an Mirandas Sarkasmus gewöhnt, denn dieser wurde von forensischer Scharfsicht, einem unermüdlichen Arbeitsethos und einem großen Herzen gedämpft. Abgesehen davon besaß Art einen ähnlich ausgeprägten Hang zum Klugscheißertum. Seinen Wurzeln im Osten von Tennessee verdankte er seinen bodenständigen Sinn für Humor. Die Erfahrungen, die er in drei Jahrzehnten an Tatorten und in kriminaltechnischen Laboren gesammelt hatte – er war der leitende Kriminalist der Polizei von Knoxville –, hatten seinem hinterwäldlerischen Humor eine dunkle, leicht gallige Note verliehen. Mit Art zusammenzuarbeiten war praktisch die Garantie für einen Monolog aus trockenen Witzen über Morde, Selbstmorde und extreme Fingerabdrucktechniken. (»Reich mir mal die Hand, Bill«, hatte er einmal an einem Tatort gesagt; damit bat er mich, einem Mordopfer die rechte Hand zu amputieren, damit er ins Labor eilen konnte, um Fingerabdrücke abzunehmen.) Für jemanden, der nicht wie wir eine tägliche Dosis Tod und Brutalität gewohnt war, klang unser Humor vielleicht schockierend, doch seine Arbeit nahm Art – genau wie Miranda und ich – sehr ernst. Nur sich und seine Kollegen nahm er nicht ernst. Was die Trostlosigkeit unserer Arbeit um einiges erträglicher machte.
    »Okay«, sagte ich, »die beiden Leichen befinden sich in Position, auf dem Rücksitz liegt in beiden Autos jeweils ein amputiertes Bein, wir haben in den Fahrgastraum jeweils zehn Liter Benzin geschüttet, und wir haben das Gebiet so lange mit Wasser abgespritzt, bis es der einzige Flecken Schlamm im Umkreis von hundert Meilen ist, und für den Fall der Fälle steht der Tankwagen mit weiteren zweitausend Litern von Wasser bereit. Hab ich was vergessen?«
    »Du hast vergessen zu erklären, warum wir bis zur Schlafenszeit
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