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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche
Autoren: Jefferson Bass
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wurde. Ihr Tod hatte mich bis in die Grundfesten erschüttert; des Mordes an ihr verdächtigt zu werden hatte mich fassungslos gemacht; und dass die Universität mich wie einen Paria behandelt hatte, hatte mir vollends den Boden unter den Füßen weggezogen.
    Sie errötete. »Ja«, sagte sie. »Das meine ich. Wir hätten hinter Ihnen stehen sollen. Ich hätte hinter Ihnen stehen sollen. Ich habe mich geirrt, und dafür möchte ich Sie um Verzeihung bitten. Möglich, dass das zu wenig ist und zu spät kommt, aber mehr kann ich jetzt nicht mehr tun. Selbst Anwälte brauchen manchmal – wie haben Sie gesagt? – Verständnis und hin und wieder Vergebung. Aber ich war sehr hart, als Sie so in den Seilen gehangen haben, ich weiß, und es ist vielleicht zu viel verlangt, dass Sie mir verzeihen.« Sie blickte auf ihre glänzenden schwarzen Pumps hinunter und wandte sich ab.
    »Amanda?« Sie blieb in der Tür stehen und drehte sich halb zu mir um. »Ich verstehe, warum Sie mich suspendiert haben. Es hat mir nicht gefallen – und gefällt mir immer noch nicht –, aber ich verstehe es. Und jetzt versuche ich das mit dem Verzeihen hinzukriegen.« Ich trat auf sie zu und hielt ihr die Hand hin.
    Sie nahm sie und sagte: »Danke.« Und dann war sie weg, und zurück blieb nur das forsche Echo ihrer Schritte im Flur. Das und der Geist von Jess Carter in meinem Büro.

3
    Drei Stunden nach meinem Gespräch mit der Staranwältin der Universität schaute eine aggressive junge Staatsanwältin namens Constance Creed von ihrem gelben Kanzleipapierblock auf, rückte ihre Brille zurecht und machte einen Schritt auf den Zeugenstand zu, in dem ich saß. »Ist es nicht so, Dr. Brockton, dass es zwischen Ihnen und Dr. Hamilton schon eine Weile Konflikte gegeben hatte?«
    »Ich würde das nicht als ›Konflikte‹ bezeichnen«, sagte ich.
    »Als was würden Sie es dann bezeichnen?«
    »Ich konnte die Schlussfolgerungen eines Obduktionsberichts von ihm nicht teilen«, sagte ich. Sie schien darauf zu warten, dass ich das näher ausführte, also fuhr ich fort: »Und ich habe diese Meinungsverschiedenheit zum Ausdruck gebracht.«
    Sie verringerte den Abstand zwischen uns und beugte sich vor, sodass ihr Gesicht gerade mal einen halben Meter von meinem entfernt war. Ich rutschte auf dem Stuhl mit der geraden Rückenlehne herum, denn die Zwiebeln, die sie zum Mittagessen gegessen hatten, wehten mir unangenehm aus ihrem Mund entgegen. Sie trug eine Brille mit runden Gläsern, die an den Rändern gut sechs Millimeter dick waren. Hinter den konkaven Linsen wirkten ihre Augen nicht größer, sondern klein und scharf. »Sie haben diese Meinungsverschiedenheit zum Ausdruck gebracht?« Sie nahm die Brille ab und starrte mich wütend an. So kurzsichtig, wie sie war, konnte die Geste nur Effekthascherei sein, und ich überlegte, wie verschwommen sie meine Gesichtszüge wohl wahrnahm. Einen kurzen Augenblick war ich versucht, ihr eine Grimasse zu schneiden, kam jedoch rasch zu dem Schluss, dass das Experiment sehr unerfreulich ausgehen konnte, wenn sie es womöglich doch sah. Creeds Augen waren eisblau, und selbst ohne die Verzerrung durch die dicken Brillengläser hatten ihre Pupillen kaum die Größe von grobem Schrot. »Wäre es nicht zutreffender zu sagen, dass Sie Dr. Hamiltons Ruf als Medical Examiner zerstört haben?«
    »Nein, ich glaube nicht …«
    »Haben Sie im Fall Billy Ray Ledbetter gegen Dr. Hamilton ausgesagt oder nicht?«
    »Nein, ich habe nicht gegen Dr. Hamilton ausgesagt.«
    »Nicht? Ich habe eine Kopie des Vernehmungsprotokolls, und dort werden Sie ausführlich zitiert. War das ein anderer forensischer Anthropologe namens Dr. William Brockton?«
    »Nein. Ich habe eine Aussage gemacht«, sagte ich und widerstand der Versuchung, ebenso sarkastisch zu werden wie sie, »aber ich habe nicht gegen Dr. Hamilton ausgesagt; ich habe über ein Experiment berichtet. Ich habe die von Dr. Hamilton beschriebene Stichwunde zu rekonstruieren versucht, die Billy Ray Ledbetter angeblich das Leben gekostet hat. Doch es war nicht möglich, sie zu rekonstruieren – mit einer starren Messerklinge konnte ihm die von Hamilton beschriebene Wunde nicht zugefügt worden sein.« Während ich dies sagte, malte ich mit den Fingern den Zickzackkurs in die Luft, der nach Hamiltons Theorie notwendig gewesen wäre. »Meine Aussage hat Dr. Hamiltons Theorie widerlegt, aber ich habe ihn nicht persönlich angegriffen. Ich habe nur meine Forschungsergebnisse
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