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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche
Autoren: Jefferson Bass
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Partnerschaft und Elternschaft getragen hatte, bis Kathleen vor drei Jahren an Krebs gestorben war. Ich hatte zwei Jahre um Kathleen getrauert. Dann war ich, zu meiner großen Überraschung, wieder offen gewesen für die Liebe, offen für Jess.
    Auf dem College hatte ich einen Kurs über griechische Mythologie belegt, und dort hatten wir die Odyssee von Homer gelesen. Seit Jess kam mir immer wieder ein Bild von Homer in den Sinn: Das Ehebett von Odysseus und Penelope. Odysseus hatte ihr Bett aus dem Stamm eines Baums geschnitzt, der noch in der Erde verwurzelt war, und dann ihr Zuhause darum herum gebaut. Es war ein Geheimnis, das nur ihnen bekannt war – das Geheimnis, mittels dessen sie ihn erkennen würde, wenn er von seinen langen Jahren der Kriege und Reisen zurückkehrte. Die Liebe, die Jess und ich gerade entdeckten, hätte genauso sein können, dachte ich manchmal – etwas, was in der Erde und im Grundgestein verwurzelt war, ein Geheimnis, das nur wir verstanden –, wenn wir die Gelegenheit gehabt hätten, darum herum etwas aufzubauen. Wenn Garland Hamilton es nicht entwurzelt hätte, angetrieben von Eifersucht auf Jess und Hass gegen mich.
    Hamilton war außer sich gewesen, als er erfahren hatte, dass Jess kurz davor stand, befördert zu werden. Doch er hatte sie nicht nur aus einem völlig unangebrachten Gefühl der Rivalität ermordet. Er hatte es hauptsächlich getan, um mir weh zu tun – mir das Herz zu brechen, bevor er mich ebenfalls umbrachte. Der zweite Teil seines Plans war fehlgeschlagen, und Hamilton drohte für den Mord an Jess jetzt möglicherweise ein Todesurteil. Doch Jess’ Tod war eine Wunde, die ich viel länger mit mir herumtragen würde, als wenn er mich getötet hätte. Doch ich würde auch immer die Erinnerung an Jess bei mir tragen, und obwohl ich ihren Verlust stets betrauern würde, würde ich die Liebe niemals bereuen.
    »Ich vermisse dich, Jess«, sagte ich. »Und es tut mir so leid.«
    Die einzige Antwort war das dumpfe Rotorengeräusch eines LifeStar-Luftrettungshubschraubers, der auf dem Weg zum Universitätskrankenhaus tief über die Body Farm flog, an Bord einen Patienten, der zwischen Leben und Tod schwebte.

4
    Nach meinem Besuch bei Jess’ Gedenkstein war ich nicht in der Verfassung, in mein leeres Haus zurückzukehren. Ich rief meinen Sohn Jeff an und fragte ihn, ob ich kurz bei ihnen hereinschauen könnte.
    »Klar«, sagte er. »Wir wollen gerade ein paar Burger grillen. Komm vorbei, ich leg für dich auch einen auf den Rost.«
    »Hmm, auf Holzkohle gegrilltes Fleisch«, sagte ich, mein nächtliches Experiment vor Augen. »Ich weiß gar nicht, ob ich so viel Hunger habe.«
    »Warst du schon beim Arzt? Du musst krank sein. Das war ja noch nie da, dass du irgendwas ablehnst, was auf dem Grill zubereitet wurde.«
    »Lange Geschichte«, sagte ich. Doch mein Wunsch nach Gesellschaft war stärker als die Abneigung gegen den Geruch von verbranntem Fleisch. »Ich erzähl’s dir beim Abendessen.«
    Jeffs Haus lag knapp fünfundzwanzig Kilometer westlich der Innenstadt von Knoxville in der Schlafstadt Farragut. Verglichen mit den anderen Schlafstädten rund um Knoxville tendierte Farragut zu Bettlaken mit feinerem Garn. Benannt nach einem Helden des Bürgerkriegs, der in der Nähe geboren worden war, Admiral David Farragut, war die Stadt eine lang gestreckte Ansammlung von besseren Einkaufszentren, Golfplätzen und Wohnvierteln mit Namen wie Andover Place und Berkeley Park. Ein Zentrum gab es nicht; die »Innenstadt« bestand aus einem städtischen Gebäude, das eine Zweigstelle der Stadtbücherei und die Kommunalverwaltung beherbergte. Auf der gegenüberliegenden Seite des Parkplatzes lagen eine Post, eine Bankfiliale und zwei Restaurants. Farragut entsprach nicht meiner Vorstellung von einer Stadt, doch vielen Menschen schien es zu gefallen, denn es war die am schnellsten wachsende Gemeinde in Knox County.
    Jeff und seine Frau Jenny und ihre beiden Jungen Tyler und Walker lebten am Ende einer ruhigen Sackgasse, wo Eltern ihre Kindern noch unbeaufsichtigt auf der Straße Rollschuh laufen und Fahrrad fahren lassen konnten. Vielleicht machte das die Anziehungskraft aus. Vielleicht war Farragut in gewisser Hinsicht eine Stadt, oder ein Teil einer Stadt, wie Städte früher waren, als auf den Straßen noch nicht so viele Gefahren lauerten.
    Hinter dem Haus sah ich Rauch aufsteigen, also trat ich durch das Holztor in den Hof und ging ums Haus herum zur Veranda. Jeff schob gerade
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