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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche
Autoren: Jefferson Bass
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ich, wie ich die Hände auf die Brust schlug, an meinem Hemd zerrte und an der Klappe der Tasche herumfummelte. Dann schloss sich meine Hand fest um etwas, und ich erkannte, was ich da festhielt: Vielleicht war es der Tod, vielleicht die Rettung, aber so sicher wie das Amen in der Kirche war es nicht Resignation. Miranda und ich waren womöglich verdammt – ja, das waren wir –, doch ich würde sie ihm nicht freiwillig ausliefern.
    Ich zog die geballte Faust über den Estrich. Dann warf ich den Arm in die Luft und öffnete weit die Hand, als winkte ich dieser Welt und allem, was mir darin lieb war, Lebwohl. Die Streichhölzer, die ich aus der Hemdtasche gezogen hatte – jene, die ich während des nächtlichen Gewitters dort hineingestopft hatte –, kratzten, fingen Funken und loderten auf, als ich sie gen Himmel warf. Gerade noch rechtzeitig schaute ich auf und sah, wie das Benzin, das Garland Hamilton auf uns niederschüttete, Feuer fing. Hamilton zuckte unwillkürlich vor den Flammen zurück, doch dabei riss er den Kanister hoch und bespritzte sich von oben bis unten mit Benzin. Augenblicklich war er eingehüllt in Flammen und Rauch. Er schrie und schlug mit den Armen um sich, ein menschlicher Flammenball, und dann sah ich Flammen züngelnd auf mich zukommen. Ich schirmte das Gesicht mit dem Arm ab und rollte mich über Miranda, um sie zu schützen. Ich warf einen letzten Blick durch das Inferno oder durch einen sterbenden Traum davon nach oben und glaubte zu sehen, wie Garland Hamilton die Flucht ergriff und durch den dunklen Himmel über mir flog. Er loderte wie ein menschlicher Meteor oder ein der Hölle entsprungener Feuerteufel. Dann – erst dann – brach der immer enger gewordene Tunnel der Sicht und des Bewusstseins endlich zusammen, und ich versank in Dunkelheit und Vergessen.

36
    Die Gesichter waren verschwommen und wurden von einem Heiligenschein aus feinem Dunst gerahmt. Ich blinzelte und kniff die Augen zusammen. Sie blieben verschwommen, doch ich erkannte einige vertraute Züge: Jeffs hohe, breite Stirn, Arts schwindenden Haaransatz und seinen stetig wachsenden Bauch, Jim O’Conners an einen Zwerghahn erinnernde Körperhaltung und Waylons mächtige Gestalt, Edelberto Garcias dunkle, zurückhaltende Eleganz.
    »Sind Sie die fünf Menschen, die ich im Himmel treffe?« Die Worte waren nicht mehr als ein trockenes Krächzen, als hätte ein Rabe sie gesprochen. Dann erkannte ich eine sechste Person. »Wohl doch nicht«, raspelte ich, »denn im Hintergrund sehe ich den Fiesen.« Die Gesichter lächelten verschwommen, und ich hörte etwas, was mich an ein Lachen erinnerte.
    Jemand fehlte. Ich schloss die Augen, um zu überlegen, wer das wohl sein mochte, und als ich sie wieder aufschlug, waren bis auf Jeff alle verschwunden, und er schlief in einem Lehnsessel neben dem Bett. Schlafen schien eine gute Idee zu sein, und so schloss ich die Augen wieder.
     
    Als ich aufwachte, fiel Tageslicht durch eine Reihe Rollos, und eine Krankenschwester rammte mir rostige Dolche in die Hüfte, zumindest fühlte es sich so an. »Autsch!«, sagte ich. »Wenn das laut Genfer Konvention nicht verboten ist, dann sollte es das sein.«
    »Wenn Sie glauben, dass das da weh tut«, versetzte sie, »dann warten Sie mal ab, bis die Wirkung der Schmerzmittel nachlässt.«
    »Das ist die Wohlfühlversion?«
    »Ich fürchte, ja. Hüftgelenkersatz ist nicht so ohne.«
    »Jemand hat mein Hüftgelenk ersetzt?«
    »Schien angeraten zu sein«, sagte sie, »nachdem das alte in tausend Stücke geschossen wurde. Sie haben Glück, dass die Ihr Bein retten konnten.« Sie unterbrach sich. »Also, bei dem Loch in der Brust können Sie von Glück reden, dass die Ihnen überhaupt das Leben retten konnten. Ein paar Minuten länger und Sie wären verblutet.« Sie nahm ein Klemmbrett vom Fußende des Betts und überprüfte das Krankenblatt. »Sie hatten zweieinhalb Liter verloren, als Sie eingeliefert wurden«, sagte sie.
    »Das ist ziemlich viel«, meinte ich. »Wie bin ich hergekommen? Und wo ist ›hier‹ überhaupt?«
    Sie lächelte. »Das Universitätskrankenhaus, Dr. Brockton«, sagte sie. »Wenn Sie nicht ans Bett gefesselt wären, könnten Sie aus dem Fenster die Body Farm sehen.«
    Ich blickte an mir hinunter. Meine Arme hingen in einem komplizierten System aus Drähten und Flaschenzügen, und statt Händen sah ich nur zwei weiße Pfoten, die ein Stück über der Bettdecke schwebten. »Was für ein Tag ist heute? Wie lange bin ich
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