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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Alarmanlage, keine Zahlenkombination.
    Nur ein einfacher Mauertresor, nicht höher als zwei aufgestellte Bücher, nicht geeignet, Millionen oder andere Schätze dahinter zu verstecken.
    Der Schlüssel paßte, er knirschte etwas im Schloß, als Irmgard ihn umdrehte, dann zog sie mit dem Schlüssel die Klappe auf. Sie war nicht erstaunt, im Inneren des Tresors nichts zu finden als ein paar dicke Schulkladden. Gewöhnliche Kladden mit einem harten Deckel, wie sie die Kinder für ihre Hausaufgaben benutzt hatten. Das eine Heft rot, das andere blau, das dritte grün, das vierte gelb, das fünfte violett. Auf den Schildchen stand in Hellmuths steiler Handschrift Nr. 1, Nr. 2 und so fort, und darunter Jahreszahlen: 1944-1948,1948-1955, 1956-1965. Das letzte Heft endete mit 19 … Ohne weitere Zahl. Hellmuth Wegener hatte nicht sterben wollen. Jetzt noch nicht.
    Sie nahm die Hefte heraus, trug sie zum Sessel, setzte sich wieder, knipste die Stehlampe an, denn der Himmel war ein dumpfes Grau und besiegte die Sonne völlig, sie legte die Hefte auf die breite Lehne und stützte das Kinn auf die gefalteten Hände.
    Buch geführt, dachte sie. Er hat sein Leben in Worte gepreßt. Woher hat er bei all der Arbeit noch die Zeit gefunden, das zu schreiben? Wann hat er es getan? Ich habe ihn nie über einem dieser Hefte angetroffen, und er hat nie darüber gesprochen, daß sein Leben wichtig genug sein könnte, es schriftlich festzuhalten. War es ein wichtiges Leben? War es nicht ein Leben wie Millionen anderer Leben auch? Ein erfolgreiches Leben, sicherlich, aber normal, wie ein Leben nur sein kann, angefüllt mit Arbeit, Liebe, Sorgen und Freuden, Höhen und Tiefen, Problemen und Ausgleichen. Ein Mensch, der sechsundfünfzig Jahre gelebt hat, in dieser unserer Zeit, kann etwas erzählen. Aber er wird nicht viel anderes erzählen, als was der Mann neben ihm auch erlebt hat.
    Sie ergriff das erste Heft – roter Deckel – mit der Zahl 1944-1948. Bevor sie es aufschlug, schloß sie die Augen und erinnerte sich.
    Das Prasseln des Regens gegen die Scheiben – jetzt klang es wie fernes Maschinengewehrfeuer, wie das Knistern von Flammen …
    Sie schlug das Heft auf und rückte die Stehlampe näher heran.
    Hellmuths Schrift, engzeilig und – damals, 1948, als er dies geschrieben hatte – ergreifend jungenhaft und ohne Charakteristikum, begann mit einem Satz, den sie viermal las, ehe sie zur zweiten Zeile kam.
    »Ich bekenne.«
    Was hat ein Hellmuth Wegener im nachhinein zu bekennen, dachte sie. Ich kenne ihn besser als er sich selbst. Er sah sich so, wie er sein wollte. Ich sah ihn, wie er war. Beides zusammen war er: der Mensch Hellmuth Wegener. Wie jeder Mensch ein Geschöpf aus Wunsch und Wirklichkeit.
    Sie legte das rote Heft auf ihre Knie, beugte sich darüber und las weiter.
    Das Prasseln des Regens klang noch immer wie Maschinengewehrfeuer …
    1944.
    Ein Juni-Vormittag mit Sonne und unerträglicher Wärme.
    Der Erdbunker des Bataillonsgefechtsstandes östlich von Orscha war mit einer Fahne und zwei Girlanden aus geflochtenem Tannengrün geschmückt. Hauptmann Hillemann lehnte an der mit Holzschwarten verkleideten Wand und rauchte eine Zigarette. Leutnant Brokamp stand draußen auf den festgestampften Stufen und wartete auf den Regimentskommandeur und den Wehrmachtspfarrer. Auf einem aus Birkenknüppeln gezimmerten Tisch stand ein Strauß mit Feldblumen und ein selbstgemachter Bilderrahmen mit einem Foto. Vier Kerzen umrahmten das Stilleben und belebten mit ihrem flackernden Schein die Augen des jungen Mädchens auf dem Bild. Blonde Haare, zu einer Olympiarolle zusammengedreht, blaue große Augen, ein sanft geschwungener Mund, in dessen Winkeln noch Kindlichkeit nistete. Über die Brust hatte sie geschrieben: Für Dich, Hellmuth. In Liebe – Irmi.
    Helmuth Wegener stand neben dem Eingang des Bunkers und trank langsam, in kleinen Schlucken ein Glas Weinbrand. Er hatte seine Uniform gesäubert, so gut es ging, trug seine Orden – das EK II, das EK I, das Infanteriesturmabzeichen, den ›Gefrierfleischorden‹ und das Panzerabschußzeichen. Den Helm, ebenfalls blank geputzt, hielt er unter dem Arm. Neben ihm stand Unteroffizier Peter Hasslick, Schlosser aus Osnabrück, groß, hager, an einem Stück Schoka-Kola kauend. Hinter dem Tisch saß Hauptfeldwebel Emil Knoll, sah auf seine wasserdichte Aluminiumuhr und ärgerte sich, daß der Kommandeur, der von allen Pünktlichkeit verlangte, eine halbe Stunde später kommen durfte.
    »Sie
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