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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben sich die dämlichste Zeit zur Hochzeit ausgesucht, Wegener«, sagte Hauptmann Hillemann und steckte sich an der abgerauchten eine neue Zigarette an. Er war Kettenraucher, und im Bataillon ging die Sage, in den Pripjetsümpfen habe er sogar getrocknetes Schilf gepafft. »Es liegt gewaltige Scheiße in der Luft! Der Iwan marschiert auf. Man glaubt es höheren Orts noch nicht, aber uns kann man nicht in die Tasche pissen! Da braut sich was zusammen. Immer, wenn der Iwan so still ist, rappelt's nachher um so wilder!«
    Die Front schwieg, das stimmte. Seit Tagen lagen sie dem Russen gegenüber, ohne daß es zu nennenswerten Kampfhandlungen gekommen war. Ein paar Spähtrupps, ab und zu eine Schießerei der verdammten sibirischen Scharfschützen, die auf alles zielten, was sich bewegte … aber wer redet darüber. Um so heftiger ging es im Norden und Süden zu. Hier griffen die Sowjets massiv an, anscheinend um die Flanken einzudrücken und den Mittelabschnitt der deutschen Front zu zwingen, freiwillig zurückzugehen.
    »Es war der einzige Termin, Herr Hauptmann«, sagte Hellmuth Wegener. Seine Fähnrichslitzen glitzerten im Kerzenschein.
    »Heimaturlaub bekommen Sie sowieso nicht. Urlaubssperre von oben bis unten.«
    »Eben darum.«
    »Was haben Sie dann von der Heirat und Ihrer jungen Frau?« Hauptmann Hillemann lachte verhalten. »Hochzeitsnacht per Post … das ist doch Mist!«
    »Wir lieben uns.«
    »Das ist ja das Dämliche. Morgen oder übermorgen rollt die sowjetische Offensive, und uns kocht das Wasser im Arsch, und Sie liegen statt bei Ihrer jungen Frau im Dreck und verrecken vielleicht.« Hillemann drückte seine Zigarette, sie war zu hart gestopft mit dem russischen Machorka. »Verzeihen Sie, Wegener, das ist kein Hochzeitsgespräch, ich weiß. Wir sollten Halleluja singen und uns anschließend besaufen. Aber wir kennen uns, mein Junge. Ich halte einen Dreck von diesen Ferntrauungen. Man kann ein junges Ding zur Witwe machen, ohne daß sie weiß, wie ihr Mann überhaupt ausgesehen hat. Was hat das für einen Sinn?!«
    »Ich denke nicht ans Sterben, ich denke nur ans Überleben, Herr Hauptmann«, sagte Hellmuth Wegener. Und plötzlich brach es aus ihm heraus: »Und wohin soll ich denn sonst?! Man braucht doch einen, an den man denken kann. Der auf einen wartet, wenn man jemals aus dieser Scheiße herauskommen sollte!«
    Hauptmann Hillemann schwieg. Es stimmte ja: dieser Fähnrich Wegener war mutterseelenallein. Wortwörtlich zu verstehen. Seine Mutter war erst vor wenigen Monaten bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen; der Vater war schon vor Jahren gestorben.
    Hauptmann Hillemann ging zu einem anderen Tisch, kam mit einer Flasche Kognak zurück und goß Wegener das Glas erneut voll. Auch Hasslick und Hauptfeldwebel Knoll bekamen ein Glas. Sie tranken und blickten dann wie auf ein Kommando auf das Foto des jungen, blonden Mädchens. Ihre Augen lachten. Die Heimat, dachte Hillemann. Sie ist die Heimat, ist alles, wonach wir Sehnsucht haben.
    »Wie lange kennen Sie Fräulein Lohmann?« fragte er.
    »Ein halbes Jahr. Ich bekam damals einen Brief von ihr. Aktion ›Deutsche Mädel schreiben an die Front‹. Es war ein Zufall, daß gerade Irmis Brief an mich ging. Bei der Postverteilungsstelle hatte man Schicksal gespielt und willkürlich Namen auf die Umschläge geschrieben. Damals hatten wir gerade Smolensk aufgegeben.«
    »Ein Scheißjahr!«
    »Ich schrieb wieder, und die Briefe gingen schnell hin und her – erstaunlicherweise.«
    »Beleidigen Sie nicht die deutsche Feldpost, Wegener.« Hillemann lächelte. »Und per Brief haben Sie sich verliebt, verlobt und heiraten jetzt?! Sie haben ihr Bild, sie hat Ihr Bild … das genügt?! Sonnige Jugend!«
    »Mein zukünftiger Schwiegervater hält uns für verrückt.«
    »Ein kluger alter Herr!« Hillemann blickte wie Hauptfeldwebel Knoll auf die Uhr. »Wenn jetzt der Kommandeur nicht kommt, bricht der Zeitplan auseinander. Dann ist Fräulein Lohmann in Köln Frau Wegener, und Sie wissen davon nichts! Uns bleiben noch zwanzig Minuten.«
    »Der Iwan kann die Schneise einsehen, Herr Hauptmann«, sagte Leutnant Brokamp. Er kam von der Bunkertreppe zurück. »Wir haben es ausprobiert mit einem Helm auf einem Stock. Pfiff … der Helm war weg. Sibirische Scharfschützen. Wir wissen noch nicht, wo die Kerle sitzen, aber ich habe vier Mann losgeschickt, das rauszukriegen. Der Kommandeur wird mit dem Pfarrer zu uns kriechen müssen.«
    »Sauber!« Hillemann lachte
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