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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mal nicht zu Witzen aufgelegt, gesagt. »Hier, sein Brief an mich.«
    »Lies ihn bitte vor«, hatte sie geantwortet.
    »›Im Falle meines Ablebens‹ … Soll ich weiter?«
    »Bitte!«
    »… ›Ablebens bitte ich meinen Freund Schwangler, dieses Kästchen meiner Frau auszuhändigen. Es enthält einen Schlüssel. Den Schlüssel zu meinem Tresor unter dem Bild von Gauguin. Ich bitte Dich, Irmi, öffne den Tresor nach meiner Beerdigung – ob allein oder mit den Kindern, das überlasse ich Dir. Glaube mir eins: Ich habe Dich immer geliebt‹ …«
    Sie hatte das venezianische Kästchen genommen, nicht hineingeblickt, sondern es gleich in ihre Handtasche gesteckt.
    »Überzeug dich, ob der Schlüssel wirklich drin ist«, sagte Dr. Schwangler.
    »Wenn Hellmuth schreibt, er sei drin, dann ist er drin«, hatte sie geantwortet.
    Sie sah das Kästchen lange an und wunderte sich, daß Hellmuth so etwas gekauft hatte. Es war nicht seine Art, Geld für Talmi auszugeben, wie er auch sogenannten Modeschmuck ablehnte, gestanztes Eloxalblech, bunte Glasperlen, bemalte Holzklötzchen, Kunststoffsteine, all diese billigen modischen Behängsel. Sein erstes Schmuckstück – sie erinnerte sich, es war im Jahre 1948, zur Geburt von Peter – hatte er ihr nur schenken können, weil er es beim Juwelier in vier Monatsraten abzahlte: einen schmalen, in der Mitte sich verbreiternden goldenen Ring, in dem in eingestanzten Sternen ein winziger Brillant, ein Rubin, ein Saphir und ein Smaragd staken. Milliware, wie es der Juwelier nennt – aber damals für den jungen Mann, der nichts geschenkt haben, sondern sich alles selbst erarbeiten wollte, ein kleines Vermögen. Der Ring lag noch heute in ihrem Schmuckkasten, sie trug ihn nicht mehr, sie besaß jetzt Colliers und Brillantarmbänder, Ringe und Ohrringe, deren Fotos bei den Versicherungsgesellschaften lagen und einige Hunderttausend wert waren, aber der armselige Ring war noch da, und manchmal, wenn sie aus den Schatullen ihren Schmuck zusammenstellte, betrachtete sie ihn lange, und die Zeit drehte sich zurück bis zu jenem Vormittag, als er an ihr Bett trat und den Ring auf ihre nackte Brust legte, an der das Kind lag und trank.
    Sie öffnete den venezianischen Holzkasten und lehnte sich weit im Sessel zurück. Der Regen prasselte gegen die Scheiben, und plötzlich dachte sie erschrocken: Jetzt wird er naß. Das ganze Grab läuft voll. Er hatte immer einen Abscheu gegen kalte Füße und Regen, der aus dem Nebel kommt. Er liebte so sehr die Sonne. Und jetzt, in seiner letzten Station …
    Es war ein Schlüssel mit verschieden langen Barten und vielen Zacken, der typische Tresorschlüssel. Er lag allein in dem Kästchen, kein Zettel begleitete ihn, kein Wort.
    Sie nahm ihn heraus, legte ihn auf ihre schmale Handfläche und betrachtete ihn. Der Tresor im ›Herrenzimmer‹ war so etwas wie ein Tempel gewesen, den nur er allein betreten durfte. Was er dort verbarg in all den Jahren, wußte keiner, es hatte auch keiner gefragt, und – ehrlich gesagt – es hatte auch keinen interessiert. Die kleinen oder großen Geheimnisse eines Mannes werden nicht durchsichtiger, wenn man ihnen nachspürt oder wenn man sie attackiert, – sie werden nur noch unerreichbarer und belasten unerträglich den harmonischen Alltag. Welche Geheimnisse hat ein Mann schon? Eine kluge Frau wird sich meist das Richtige denken – und schweigen, so wie ein Kind versucht, ein Stück gestohlener Schokolade zu verstecken. In jedem Mann schläft ein großes Kind – wacht es zuweilen auf, soll man es spielen lassen. Das macht ihn glücklich, hebt sein Selbstbewußtsein, läßt ihn glauben, er sei ein ›toller Kerl‹. Ein Mann braucht das, um ein Mann zu sein.
    Sie erhob sich aus dem breiten Sessel, ging zu der Bibliothekswand und blieb vor dem Gauguin stehen. Südsee-Mädchen, eine Blumenkette flechtend. Als echt anerkannt durch sieben Expertisen. Bei Partys oder wichtigen Geschäftsbesuchen wurde das Gemälde durch einen in der getäfelten Decke verborgenen Stichscheinwerfer angestrahlt. Dann lebte das kleine Südseemädchen, und ihre Brüste schienen sich beim Atmen zu heben, so vollkommen war die Illusion.
    Das Bild war nicht schwer. Leinwand in einem schmalen Rahmen. Sie konnte es mühelos herunternehmen und auf den riesigen Aubusson-Teppich stellen, der den ganzen Fußboden bedeckte.
    Der Tresor war bündig mit der Wand, eine kleine Stahlklappe mit einem Schlüsselloch. Keine elektronischen Sicherungen, keine
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