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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte
Autoren: Hakan Nesser
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Computerbildschirm oder zwischen verstaubten Büchern als unter Menschen, man kann sich fragen, wie die beiden überhaupt zusammengekommen sind. Das andere Paar heißt Gunnar und Anna. Sie sind nicht verheiratet, wohnen offenbar nicht einmal zusammen. Eine Weile haderten sie wohl mit ihrer natürlichen Oberflächlichkeit, versuchten sich den Anschein zu geben, sie hätten Dinge durchdacht und wären zu einer Art Lebenseinstellung gekommen. Was natürlich ziemlich schnell in sich zusammenfiel, beiden wäre am besten damit gedient, wenn sie eine konsequent schweigende Haltung annähmen, ganz besonders ihr. Er ist irgendsoein Lehrer, die Details sind mir nicht ganz klar geworden, sie arbeitet in einem Werbebüro. Wahrscheinlich in irgendeiner Art kundennaher Funktion, ihr Gesicht und ihre obere Körperhälfte sind zweifellos ihr größtes Kapital.
    Es kam auch heraus, dass sie sich gerade gemeinsam einen Traber angeschafft hatten oder zumindest im Begriff standen, das zu tun.
    Aus irgendeiner unergründlichen Ursache spricht Katarina Malmgren fast fließend französisch, eine Fähigkeit, die keiner von uns anderen auch nur annähernd erreichen kann, und während des Essens erhielt sie dadurch den unverdienten Status einer Art von Orakel. Wir aßen mindestens acht verschiedene Sorten von Schalentieren, und sie unterhielt sich mit dem Kellner über jedes einzelne. Korken mit Nadeln drin, um die widerspenstigen Bewohner aus der Schale zu ziehen – wenn man zum Schluss die kleinen Muskeln im Mund hat, weiß man nie, ob sie noch leben oder tot sind. Soweit ich verstanden habe, geht es darum, sie totzubeißen, bevor man sie hinunterschluckt.
    Erik kümmerte sich um die Getränkefrage, wir begannen mit normalem, trockenem Weißen, gingen aber nach drei Flaschen zum Cidre der Gegend über, einem starken, süßen Rattengift, das uns zu zwei Stunden Mittagsschlaf nach dem Essen zwang.
    Dann verbrachten wir den Abend bei Gunnar und Anna. Sie wohnen nur ein paar hundert Meter von hier entfernt, den Strand hinunter Richtung Beg-Meil, ein weiteres kleines, pittoreskes Haus, versteckt in den Dünen. Wir saßen alle sechs auf ihrer Terrasse, aßen weitere Schalentiere, schütteten Wein und Calvados in uns hinein. Gunnar sang auch noch zur Gitarre. Evert Taube, Beatles und Olle Adolphson. Wir übrigen sprangen ein, wenn wir an der Reihe waren. Es war nicht schwer zu behaupten, dass es ein fast verzauberter Abend war. Irgendwann gegen Mitternacht waren wir so betrunken, dass die Rede auf ein Nacktbad im Meer kam. Ein begeistertes Quartett, bestehend aus den beiden Damen sowie Erik und Gunnar, begab sich mit einer Flasche moussierendem Wein auf den Weg, die Arme umeinander verschränkt.
    Ich selbst blieb mit Henrik auf dem Trockenen, hätte natürlich nachfragen können, womit er sich eigentlich beschäftigte, welcher For schung genau er seine Zeit widmete, aber ich hatte keine Lust mit ihm zu reden. Es war schöner, nur dazusitzen und am Calva zu schnuppern, zu rauchen und in die Dunkelheit zu starren. Er machte ein paar zögerliche Versuche, ein Gespräch über irgendwelche Besonderheiten der Leute hier im Finistère in Gang zu bringen, aber ich ermunterte ihn nicht. Also verstummte er ziemlich schnell, wahrscheinlich ist er genauso wenig an meinen Ansichten über dies oder jenes interessiert wie ich an seinen. Er scheint trotz allem eine Art verhüllte Integrität in seiner trockenen Art zu haben. Es schien, als säßen wir beide da und horchten auf unsere badenden Freunde dort draußen in der Dunkelheit, er hatte natürlich bessere Gründe als ich, hellhörig zu sein, schließlich war es seine Ehefrau und nicht meine, die sich zusammen mit drei fremden Menschen nackt ausgezogen hatte.
    Es ist mehr als fünf Jahre her, dass ich eine Ehefrau gehabt habe, manchmal vermisse ich sie, aber meistens nicht.
    Als die Gesellschaft zurückkehrte, waren sie jedenfalls sittsam in Badelaken gehüllt, sie erschienen insgesamt gedämpfter als bei ihrem Aufbruch, und mir kam unbewusst der Gedanke, dass sie ein Geheimnis teilten.
    Dass etwas passiert sein könnte und sie etwas verbargen.
    Aber vielleicht waren sie auch nur betrunken und müde. Und abgekühlt. Der Atlantik im Juni liegt weit unter der Zwanzig-Grad-Marke. Nachdem sie zurückgekommen waren, blieben wir höchstens noch eine halbe Stunde. Als Erik und ich den Strand entlang zu unserem Haus gingen, hatte er offensichtlich Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten, und er fiel sofort in
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