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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte
Autoren: Hakan Nesser
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hatte. Tofta war der nächste Badestrand, die Kinder fuhren ein paar Mal in der Woche mit dem Fahrrad dorthin, sie selbst hatte meistens darauf verzichtet. Und die nächsten acht Tage sollte kein einziges Kind auf der Bildfläche erscheinen.
    Friedlich ist ein so abgenutzter Ausdruck, hatte sie auch noch gesagt. Das ist eigentlich schade, denn Frieden ist die eigentliche Grundessenz von Gustabo.
    Gustaf, der dem Haus seinen Namen gegeben hatte, hatte das weiß gekalkte Haus irgendwann Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gebaut – und als Mariannes Vater es Anfang der Fünfziger kaufte, war er angeblich zuallererst wegen seines Namens so begeistert gewesen. Denn er hieß auch Gustaf. Nachdem seine Frau gestorben war, hatte er die letzten fünf Jahre seines Lebens vorwiegend hier verbracht.
    Gustaf in Gustabo.
    Hier gab es die Grundausstattung zum Leben. Wasser, Strom und Radio. Aber kein Fernsehen und kein Telefon. Du darfst kein Handy mitbringen, hatte Marianne ihn angewiesen. Gib deinen Kindern die Nummer vom Nachbarn, das reicht. Es passt nicht, dass die ganze Welt um einen herumbraust, wenn man in Gustabo ist. Das haben sogar meine Kinder zu akzeptieren gelernt.
    Wir hören hier immer den Seewetterbericht und das Gedicht des Tages, hatte sie hinzugefügt, das gefällt ihnen. Johan hat sogar eine eigene Landkarte gezeichnet mit allen Leuchttürmen Schwedens.
    Er war ihren Wünschen gefolgt. Hatte sein Handy abgestellt und es unter einige Papiere im Handschuhfach gelegt. Wenn sie das Auto klauen, können sie ebenso gut gleich das Handy dazu nehmen, dachte er, und es gab kein doppeltes Sicherheitsschloss, weder für das eine noch für das andere.
    Als die Fähre sich der Insel näherte, ging er an Deck und betrachtete die vertraute Stadtsilhouette, die in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne leuchtete. Dächer, Zinnen und Türme. Es war fast schmerz haft schön. Er dachte an die Worte, die ein guter Freund einmal gesagt hatte: Gotland ist nicht nur eine Insel, es ist ein anderes Land.
    Hoffentlich steht sie am Kai und wartet wie versprochen auf mich, dachte er dann. Wäre bestimmt nicht witzig, eine Telefonzelle zu suchen und diesen Bauern anzurufen.
    Gab es überhaupt noch Telefonzellen?
    Sie stand da.
    Sonnengebräunt und sommerschön. Unmöglich, dass so eine Frau auf einen Mann wie mich warten kann, dachte er. Es muss ein Missverständnis sein.
    Aber sie schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn, offenbar passte er trotz allem in ihre Pläne.
    »Du bist so wahnsinnig schön«, sagte er. »Du darfst mich nicht noch einmal küssen, sonst falle ich in Ohnmacht.«
    »Mal sehen, ob ich mich zurückhalten kann«, antwortete sie lachend. »Es ist …«
    »Ja?«
    »Es ist irgendwie einfach großartig. Einen Mann, den man liebt, an einem schönen Sommerabend zu treffen. Wenn er mit dem Schiff ankommt.«
    »Hm«, murmelte Gunnar Barbarotti. »Aber ich weiß etwas, das ist noch besser.«
    »Und was?«
    »Mit dem Schiff anzukommen und von einer geliebten Frau empfangen zu werden. Ja, du hast recht, das ist ziemlich großartig. Das sollte man jeden Abend machen.«
    »Es ist schön, so alt zu sein, dass man die Zeit hat, innezuhalten und das einzusehen.«
    »Das stimmt.«
    Gunnar Barbarotti lachte. Marianne lachte. Dann standen sie eine Weile schweigend da und sahen einander an, er spürte, wie etwas Feuchtes, Warmes hinter seinem Kehlkopf anwuchs. Er räusperte es fort und zwinkerte ein paar Mal.
    »Verdammt, wie dankbar ich bin, dass ich dich kennen gelernt habe. Hier, ich habe ein Geschenk für dich.«
    Er holte die kleine Schachtel mit dem Schmuck heraus, den er gekauft hatte. Nichts Besonderes, ein kleiner, rotgelber Stein an einer Goldkette nur, aber sie öffnete sie sofort mit eifrigen Fingern und band sie sich um.
    »Danke. Ich habe auch etwas für dich, aber das muss warten, bis wir zu Hause sind.«
    Zu Hause?, dachte Gunnar Barbarotti. Es klang, als meinte sie es so.
    »Wollen wir fahren?«
    »Wo hast du das Auto?«
    »Natürlich hier auf dem Parkplatz.«
    »Ach ja. Bring mich ans Ende der Welt.«
    Und dort will ich bleiben bis ans Ende der Zeit, fügte er insgeheim für sich selbst hinzu. Solche Abende können sogar aus Schweinehändlern Dichter machen.
    Gustabo lag mitten im Nichts. Zumindest erschien es so, wenn man spät in der Abenddämmerung dort ankam. Gunnar Barbarotti begriff, dass er es nicht geschafft hätte, den Weg allein zu finden. Vielleicht zurück nach Visby, aber nicht umgekehrt. Als
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