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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte
Autoren: Hakan Nesser
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trinken, fragen, ob er zufällig Hannibal mit Vornamen heißt.«
    »Er heißt Leif«, erwiderte Eva Backman. »Ich habe das überprüft. Nein, ich meine, dass es Fälle gibt, die einen etwas anderen Einsatz erfordern als breite Fahndung.«
    »Auf einem Balkon zu sitzen und beim Sonnenuntergang zu philosophieren?«, schlug Barbarotti vor und dachte, dass in letzter Zeit ja wohl ziemlich viel über seinen Balkon diskutiert wurde.
    »Hätte ich deinen Balkon, ich hätte den Fall in drei Tagen gelöst«, sagte Backman.
    »Den werde ich wohl nicht mehr so lange haben«, sagte Barbarotti.
    »Was? Wieso nicht?«
    »Ich … ich glaube, ich erwarte Zuwachs.«
    Eva Backman sah erst aus, als begriffe sie nicht, wovon er sprach. Dann lachte sie auf und erhob sich von dem Stuhl. »Herzlichen Glückwunsch«, sagte sie. »Und wie viele werden es?«
    »Ich weiß nicht so recht«, erklärte Barbarotti. »Aber meine DreiZimmer-Wohnung wird auf jeden Fall zu klein werden.«
    »Aha«, sagte Backman. »Du kannst mir in drei Wochen von deinem neuen Leben erzählen. Jetzt mache ich erst einmal Urlaub. Aber vielleicht schaue ich trotzdem einmal kurz rein und werfe einen Blick auf Malmgren.«
    »Tu das«, sagte Barbarotti. »Und lass es dir gut gehen. Aber was soll ich denn jetzt in mein Merkbüchlein schreiben?«
    »Vertraue nie einem Autor«, sagte Eva Backman. »Ich denke, das ist mit aller wünschenswerten Deutlichkeit klar geworden.«
    42
    K urz nach fünf Uhr am Freitagnachmittag verließ er das Sprechzimmer von Doktor Olltman. Sie hatten fast drei Stunden miteinander geredet, obwohl eigentlich nur fünfundvierzig Minuten vereinbart gewesen waren. Ein neuer Termin war nicht verabredet worden, aber Barbarotti hatte das Versprechen bekommen, sie jederzeit anrufen zu dürfen, wenn das Bedürfnis bestand. Als er sich bei ihr bedankte, lag ihm auf der Zunge, ihr zu sagen, dass er gern mit einer Frau wie ihr verheiratet wäre, aber er konnte sich noch zurückhalten. Vielleicht, dachte er, vielleicht ist Marianne so eine Frau.
    Und er glaubte nicht, dass das Bedürfnis bestehen würde. Etwas ist mit mir in den letzten Wochen passiert, dachte Gunnar Barbarotti, als er an der Kaffeebar in der Skolgatan vorbeiging, ohne einzutreten.
    Wobei nicht klar war, was, aber da war etwas.
    Dass der Fall gelöst war, spielte natürlich eine Rolle. Die Brüder Malmgren sollten am Dienstag in Kastrup ankommen, laut Crumley hatte es einige Geständnisse gegeben, vermutlich konnten sie den Rest der Geschichte also Staatsanwalt, Rechtsanwälten und Gerichtspsychiatern überlassen – aber dieser verrückte Philosoph hatte auf jeden Fall eine Art Mechanismus auch in ihm selbst angeworfen, oder?
    Eine Art Korrespondenz, die nicht so leicht in Worte zu kleiden war, aber die zu spüren und abzuwägen war. Und was nun, genauer gesagt? Vielleicht war das nur mentaler Schneematsch, aber man sollte trotzdem einen Versuch machen.
    Doch, dass man das Leben nicht so betrachten durfte, wie es Henrik Malmgren getan hatte, vielleicht war es so einfach. Wenn das Da sein ein Spiel war, und das war ja wohl anzunehmen – zumindest aus gewissen Aspekten heraus –, dann hatte der Mensch in die Rolle einer demütigen Spielfigur zu schlüpfen, nicht in die des Spielleiters. Womit nicht gesagt war, dass er sich anderen Spielfiguren unterwerfen musste oder Regeln, Anforderungen und Dummheiten akzeptieren, die sich um deren eigene Existenz drehten.
    Kurz gesagt, das alte Gebet der Anonymen Alkoholiker. Er hatte auch mit Olltman darüber gesprochen, nicht in den Worten, die jetzt in seinem Kopf herumschwirrten, aber trotzdem, genau darum ging es. Freiheit und Verantwortung, diese abgenutzten Ecksteine. Das Ich und die Umwelt und der Nächste und die Gegenwart, in erster Linie das Letztgenannte, in jedem Augenblick anwesend zu sein, zumindest so viel, wie man vermochte, hier hatte er gepfuscht, ziemlich oft hatte er in dieser Beziehung gepfuscht. Er ging in den ICA-Laden in der Frejagatan und sprach ein schnelles Existenzgebet.
    Oh Herr, ich danke dir für einen lehrreichen Sommer. Aber sorge jetzt bitte dafür, dass ich in guter Form bleibe, und lass die Dinge klappen – du weißt, was ich meine –, dann bekommst du drei Punkte auf die Hand. Übrigens existierst du jetzt schon seit elf Monaten am Stück, das ist ein Rekord und verblüffend gut gemacht, wenn man die äußeren und inneren Umstände bedenkt, das muss ich zugeben. Frische Pasta, Oliven, Kapern und Parmesankäse, das
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