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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle
Autoren: Sara Paretsky
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sich das achte kleine Geschöpf an eine Zitze drängte, beschloss sie aufzuhören.
    Ich streckte mich und ging in die Küche, wo ich Mr. Contreras dabei zuschaute, wie er für Peppy einen großen Napf mit Trockenfutter, verrührten Eiern und Vitaminen zurechtmachte. Er ging so völlig in dieser Tätigkeit auf, dass er auf keine meiner Fragen reagierte, weder nach seinem Abend im Las Vegas noch nach Mitch Kruger. Ich fühlte mich hier überflüssig. Freundinnen von mir spielten am Montrose-Hafen Softball und veranstalteten ein Picknick, und ich hatte schon halb zugesagt. Ich machte die Riegel an der Hintertür auf.
    »Was ist denn, Engelchen? Wollen Sie irgendwohin?« Mr. Contreras machte beim Umrühren eine kurze Pause. »Gehen Sie nur. Sie können sicher sein, dass ich mich erstklassig um unsere Prinzessin kümmere. Acht!« Er strahlte vor sich hin. »Acht, und sie hat es gemacht wie ein Weltmeister. Wer hätte das gedacht!«
    Als ich die Hintertür zumachte, gab der alte Mann grausige Geräusche von sich. Ich war schon halb in meiner Wohnung, ehe es mir dämmerte: Er sang. Ich glaube, es war das Lied »Wunderschön ist dieser Morgen«.

2
    Abendgarderobe erwünscht
    »Du bist also Geburtshelferin geworden?«, zog Lotty Herschel mich auf. »Ich war immer der Meinung, du brauchst noch einen Brotberuf mit etwas sichereren Einnahmen. Aber Geburtshilfe würde ich dir heutzutage nicht empfehlen: Die Versicherung würde dich ruinieren.«
    Ich schnippte mit dem Daumennagel nach ihr. »Du willst bloß nicht, dass ich dir auf deinem Gebiet Konkurrenz mache. Frau erreicht in ihrem Beruf Spitzenstellung und kann es nicht ertragen, dass die Jüngeren in ihre Fußstapfen treten.«
    Max Loewenthal schaute mich über den Tisch hinweg stirnrunzelnd an. Das war ausgesprochen ungerecht von mir gewesen: Lotty gehörte zu den führenden Perinatologen der Stadt und hatte immer eine Hand frei, die sie jüngeren Frauen reichte. Auch Männern.
    »Was ist mit dem Vater?«, wechselte Max' Sohn Michael schnell das Thema. »Weißt du, wer es ist? Und kannst du ihn dazu bringen, Unterhalt zu zahlen?«
    »Eine gute Frage«, sagte Lotty. »Wenn deine Peppy so ist wie die Teenagermütter, die ich zu sehen bekomme, wirst du aus dem Vater nicht viele Hundekuchen herausholen.
    Aber vielleicht springt sein Besitzer ein?«
    »Das bezweifle ich. Der Vater ist ein schwarzer Labrador, der ein paar Türen weiter in unserer Straße wohnt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Mrs. Frizell mir hilft, acht Welpen großzuziehen. Sie hat selber fünf Hunde, und ich habe keine Ahnung, woher sie das Geld für das Futter nimmt.«
    Mrs. Frizell gehörte zu den Leuten, die sturen Widerstand gegen die Veredelung meiner Straße leisteten. Sie war über achtzig und der Typ der alten Frau, vor dem ich als Kind Angst gehabt hatte. Die dünnen grauen Haarbüschel standen ihr wie ein ungekämmter Koboldschopf vom Kopf ab. Sie lief im Sommer wie im Winter in derselben Kombination aus verschossenen Baumwollkleidern und formlosen Pullovern herum. Obwohl ihr Haus dringend einen Anstrich gebraucht hätte, war es noch einigermaßen stabil. Vordertreppe und Dach waren in dem Jahr, in dem ich in meine Eigentumswohnung eingezogen war, erneuert worden. Sonst hatte ich nie gesehen, dass an dem Haus gearbeitet wurde, und ich nahm vage an, sie habe irgendwo Nachwuchs, der sich um die dringendsten Probleme kümmere. Ihr Garten fiel offenbar nicht unter diese Rubrik. Niemand mähte je den verwilderten, mit Unkraut durchwucherten Rasen, und Mrs. Frizell schienen die Büchsen und Zigarettenschachteln, die Leute über den Zaun warfen, nicht zu stören.
    Der Garten war ein Stein des Anstoßes für den Ausschuss zur Verschönerung der Gegend oder wie auch immer die Aufsteiger unter meinen Nachbarn sich nannten. Für die Hunde hatten sie auch nicht viel übrig. Nur der Labrador war reinrassig; die anderen vier waren Mischlinge, die in der Größe von einem riesigen, wollweißen Tier, das wie der Filmhund Benji aussah, zu etwas rangierten, das man für einen wandelnden grauen Muff hätte halten können. Normalerweise waren die Hunde im Garten eingesperrt, bis auf zweimal am Tag, wenn Mrs. Frizell sie mit verhedderten Leinen ausführte. Aber vor allem der Labrador kam und ging, wie es ihm passte. Er war über den anderthalb Meter hohen Zaun gesprungen, um Peppy zu besteigen und vermutlich auch andere Hündinnen. Nur wollte Mrs. Frizell das den wütenden Besuchern nicht glauben, die das
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