Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Freundschaft im Winter

Eine Freundschaft im Winter

Titel: Eine Freundschaft im Winter
Autoren: Kaya McLaren
Vom Netzwerk:
nach Westen, weil es Abend wurde und die Sonne dort unterging. Doch sie hatte keine Ahnung, wohin sie lief.
    Einen halben Kilometer weiter kam sie an einem Gebrauchtwagenhandel vorbei. Ein geräumiger Mitsubishi Montero für zweitausend Dollar fiel ihr ins Auge. Sie könnte darin schlafen. Sie könnte damit wegfahren. Sie könnte ihn mit ihrer Kreditkarte kaufen. Tu es, sagte die Stimme in ihrem Inneren. Lauf.
    Ihr blieben noch vierundzwanzig Stunden, bis David sie als vermisst melden konnte. Wohin sollte sie also verschwinden? Sie konnte von Austin an den Golf von Mexiko fahren. Oder gleich nach Mexiko. Die Idee, ihre Familie aufzusuchen, verwarf sie sofort wieder. Denn selbst wenn ihre Eltern nicht auf Mission in Afrika gewesen wären, war ihr Haus in Midland, Texas, der letzte Ort, an dem sie jetzt sein wollte.
    Ach, ihre Eltern. Ihre Reaktion auf die Fehlgeburt war einzig eine E-Mail gewesen.
    Liebe Jill,
    dein Vater und ich bedauern deinen Verlust sehr. Unsere Herzen sind bei dir. Der Schmerz, ein Kind zu verlieren, ist unerträglich. Wir wissen das, denn genau das haben wir empfunden, als du unsere Kirche verlassen hast. Wir haben dich an die Welt verloren. Wir hoffen, dass du das, was geschehen ist, zum Anlass nimmst, in die Herde des Herrn zurückzukehren und nach seinen Heilsprinzipien zu leben. Wir beten für dich, dass du den Weg zurück findest, nachdem du jetzt den Schmerz kennst, von deinem Kind getrennt zu sein, so wie wir spirituell von dir getrennt sind. Ich weine mich jede Nacht in den Schlaf, wenn ich nur daran denke, dass dich der Glaube hätte retten können. Bitte lies noch einmal das Buch Mormon und denke darüber nach. Auch du wirst tief in deinem Inneren wissen, dass es wahr ist. Bitte öffne dein Herz und kehre zum himmlischen Vater zurück.
    In Liebe
    Deine Mom
    Sie meinten es gut. Sie meinten es wirklich gut. Aber sie schafften es immer wieder, eine ohnehin schon schwierige Situation noch schlimmer zu machen. Jills Blick fiel auf ihre Chanel- Tasche – David hatte sie ihr zu Weihnachten geschenkt – und auf den Brief von Lisa, der herausragte. Sie nahm ihn und begann zu lesen.
    Hallo Süße!
    Wie geht es dir? Ich hatte einen herrlichen Sommer – ich habe als Rangerin im Glacier Nationalpark gearbeitet. Und an meinem Geburtstag habe ich ein paar nette Schwünge hingelegt. Ich nehme an, dass ein erster August, an dem ich Ski fahre, besser ist als jeder andere erste August. Ich habe jemanden getroffen, einen Ranger namens Mark, und ich finde ihn zum Anbeißen. Natürlich steht die Sache unter keinem guten Stern, doch es war trotzdem in jeder Hinsicht eine unterhaltsame Schussfahrt. Es ist wunderbar, wieder zu Hause zu sein – wenn man das trotz der schier nicht enden wollenden Renovierung und den ganzen Leuten, die ständig aus und ein gehen, überhaupt so nennen kann.
    Warum lässt du dich eigentlich nicht blicken? Ich vermisse dich! Komm endlich her und besuche mich! Mein Gästezimmer ist zwar noch nicht fertig, aber ich habe eine Couch und ständig neue Zimmerer, die an den Tagen nach Neuschnee nicht arbeiten. Augenschmaus, Stufe fünf. Ich sag’s nur. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du, hiesige Medaillengewinnerin im Skirennen, nach Texas gezogen bist. Was zur Hölle soll das? Und mit der Hölle meine ich selbstverständlich das heiße Texas. Lass das fettige Essen und die Haarspraydose, und komm wieder nach Hause, Süße. Sparkle vermisst dich. Und du vermisst es sicher auch. Mal ernsthaft: Ich weiß, dass diese Krankenhausfahrstühle beeindruckend schnell sind, und bestimmt ist es eine Zeit lang auch ganz lustig, aber komm schon, das ist nichts gegen Abhänge wie den Southback oder den Horseshoe Bowl. Tief in deinem Inneren weißt du, dass du ein paar schöne Schwünge mit deiner alten Freundin Lisa machen willst. Du weißt es.
    Mir ist klar, dass es schwierig für dich ist freizunehmen, und mir ist auch klar, dass dein Mann Kälte und Schnee hasst (Wie kann man Schnee hassen?), aber lass den Job Job sein und deinen Mann Mann, und komm nach Hause.
    In Liebe
    Lisa
    Wenn es so etwas wie ein Zeichen oder den berühmten Wink des Schicksals gab, dann konnte man das hier ganz sicher so nennen.
    SPARKLE, COLORADO
    Cassie Jones setzte sich im Bett auf, um ihr Kissen umzudrehen. Ihre Tränen hatten die Seite, auf der sie gelegen hatte, durchnässt. Das Ende eines ihrer langen blonden Zöpfe klebte an ihrer Wange. Tagsüber weinte sie nicht, doch oft kamen ihr die Tränen, wenn sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher