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Eine Frau sein ist kein Sport

Eine Frau sein ist kein Sport

Titel: Eine Frau sein ist kein Sport
Autoren: Christine Noestlinger
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besitzen Häuser oder Wohnungen mit zwei – oder mehr – Badezimmern und zwei -oder mehr – Klos. Nicht ganz so vom Glück verfolgte, aber immerhin noch begünstigte Familien haben wenigstens ein Badezimmer mit zwei Waschbecken. Die Normalfamilie jedoch, auch wenn sie aus fünf oder sechs Personen besteht, muss mit einem Badezimmer und einem Waschbecken darin auskommen.
    Statistiken darüber, wieviel Familienzwist und Hader dadurch entstehen, dass mehrere Menschen zur gleichen Zeit nach dem gekachelten Orte gieren und zum diskreten Örtchen drängen, gibt es nicht. Doch wage ich zu behaupten, dass sich viele Familienleben wesentlich harmonischer gestalten würden, wäre nicht tagtäglich die morgendliche Notlage durchzustehen.
    Ein halbwüchsiges Mädchen etwa, das an der sorgfältigen Behandlung von Mitessern und Wimmerln gehindert wird, weil der kleine Bruder auf seinem Recht besteht, das Badezimmer zwischen 7.10 Uhr und 7.20 Uhr zu benutzen, sieht sich völlig außerstande, den kleinen Bruder zu lieben.
    Und niemand kann vergrämter sein als der arme Mann, der hinter der verriegelten Tür hockt und dort nicht in dem Tempo agieren darf, das ihm sein Leib vorschreibt, sondern in dem Tempo, das ein an die Klotür pochendes Familienmitglied fordert.
    Besonders unerträglich wird die Morgensituation, wenn ein sehr ordentlicher Mensch nach einem sehr schlampigen Menschen das Badezimmer benutzen muss.
    Bartstoppelstaub im Waschbecken, feuchte Badetücher auf dem Boden, Zahnpastaspritzer auf dem Spiegel, Make-up-Flecken in Handtüchern, unauffindbare Tubenverschlüsse, gatschige Seifen und Badewannendreckränder haben sicher schon öfter Familienstreit ausgelöst als so große und bittere Probleme wie Untreue, Charaktermängel und Geldnot.
    Und die Personen, die darauf bestehen, nicht nur eine eigene Zahnbürste, sondern auch ein eigenes Handtuch, einen eigenen Waschlappen und eigene Kosmetika zu haben, stehen in den meisten Familien im morgendlichen Kampf ohnehin auf total verlorenem Posten.
    Ärmer als diese besitzgestörten Menschen sind jedoch noch die Leute, denen ein skrupelloser Architekt das Bad und das Klo als eine Einheit errichtet hat. Was sich des Morgens dort abzuspielen pflegt – habe ich mir sagen lassen, kann die wahre Hölle sein.
Wer kennt ihn nicht, den Dings
    Von meiner Mutter kann man oft eine Erklärung wie folgende zu hören bekommen: »Der Dings vom Dings wegen dem Dings war da!«
    Ins harte Kreuzverhör genommen, gibt sie jedoch dann zu, dass Herr X von der Versicherung wegen der Prämie vorgesprochen habe.
    Rügt man sie ob der vielen Dings in ihrer Rede, schiebt sie die Schuld dem Alter zu, was aber nicht stimmt. Sie »dingst«, seit ich sie kenne. »Dingsen« hat nichts mit Alter und Kalk zu tun. Die der Dings-Manie Verfallenen reden bloß schneller als sie denken. Womit ich aber nicht sagen will, dass sie zu langsam denken. Sie reden zu schnell!
    Und sie sind nicht bereit, ihren heftig strömenden Redefluß ein klein wenig zu stauen und kurz zu überlegen, wie Botschaften allgemein verständlich übermittelt werden können. Auf diese Idee kommen sie auch deshalb nicht, weil sie meinen, alle anderen müssten über ihre Gedankengänge und Gedankensprünge Bescheid wissen. Was meistens nicht ganz falsch ist.
    Kommt – zum Beispiel – jemand aus dem Bad und spricht: »Ich muss endlich den Dings reparieren!«, weiß man ja, den verstopften Zustand des Abflusses kennend, genau, was mit »Dings« gemeint war.
    Man sollte überhaupt mit den der Dings-Manie Verfallenen gnädig umgehen, denn schließlich ist niemand gegen dieses Unwort gänzlich gefeit, auch wenn man es nur benutzt, wenn einem ein Wort oder ein Name wirklich nicht einfällt, wenn er zwar »auf der Zunge liegt«, aber nicht von dieser will. In der Notlage greift fast jeder zum Dings, fügt aber – und das unterscheidet ihn von den echten Dingsern – entschuldigend hinzu: »Aber es fällt mir gleich wieder ein!«
    Was manchmal zu optimistisch gehofft ist. In der Regel will das »Dings« erst dann von der Zunge, wenn man aufgegeben hat, darüber zu sinnen und sich damit herumzuplagen.
    So muss es auch der Dame ergangen sein, die gestern im Kino hinter mir saß und plötzlich sehr laut, während vorne auf der Leinwand ein langer Kuß stattfand, ausrief: »Albert! Jetzt hab’ ich’s wieder! Breinstingl heißt der Dings!«
    Das unwillige Gezischel, das sich darob im Kino erhob, muss ich als wenig einfühlsam bezeichnen. Ein jeder
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