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Eine Frau sein ist kein Sport

Eine Frau sein ist kein Sport

Titel: Eine Frau sein ist kein Sport
Autoren: Christine Noestlinger
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hundert und ein bisschen drüber.
    Bitter an der Sache ist nur, dass es jede Menge Leute gibt, die einem beibringen, sich nicht jünger als im Taufschein vermerkt zu fühlen, aber die Menschen aussterben, die aufbauende Komplimente parat haben. Ob das daran liegt, dass die Menschen immer grantiger werden, oder daran, dass sie immer ehrlicher werden, ist Ansichtssache.
Was kränkt, macht krank
    Ich kenne eine Dame, die löst seit drei Jahrzehnten sämtliche ihrer ehelichen Konflikte mit der simplen Methode: Was mich kränkt, macht mich krank. Hat diese Dame am Verhalten ihres Ehemanns etwas auszusetzen, erkrankt sie blitzschnell, wobei sich die Sorte ihres Blitzleidens aus dem Delikt ergibt, welches der Ehemann begangen hat: Linksseitige Migräne bei den kleineren, Magenschmerzen bei den mittleren, Herzbeschwerden bei den ganz großen, ungeheuerlichen Vergehen.
    Um mit der Methode Erfolg zu haben, bedarf es natürlich eines Ehemanns, der sich auch nach drei Jahrzehnten immer noch von den Blitzerkrankungen der Frau Gemahlin tief beeindrucken lässt; aber solche Ehemänner sind gar nicht so rar, wie man annehmen sollte. Und dass sie sich so einfühlsam verhalten, hat wohl weniger mit riesengroßer Liebe zu tun als mit riesengroßer Ratlosigkeit.
    Was soll man denn, so man nicht an Trennung denken will, auch dagegen tun, wenn der Partner Krankheit als Waffe in Konfliktfällen einsetzt? Meine blitzkränkliche Dame etwa schwindelt ihre Beschwerden ja nicht einfach vor. Sie spürt den Druck im Magen, das Pochen hinter der Stirn, das Stechen in der Brust ja wirklich!
    Und da kommt es dann echt nicht darauf an, ob die Fachärzte ihr Herz und ihren Magen für pumperlgesund halten. Und bei Migräne ist ein »Befund« sowieso nicht möglich.
    Und zudem tut die Dame ja nichts anderes, als ihrem Ehemann mitzuteilen, dass sie unter seinem Verhalten fürchterlich leidet. Sie schreit es ihm bloß nicht ins Gesicht, sondern stellt es stumm leidend dar, mit der Hand an der Stirn, am Magen oder auf der linken Brustseite.
    So war diese Dame übrigens schon im Volksschulalter. Wenn wir im Hinterhof spielten und sie ihren Willen gegen die anderen Kinder nicht durchsetzen konnte, hockte sie sich auf den Hackstock, griff sich mit beiden Patschhänden an den Kopf, verzog das Gesicht und teilte uns mit, dass sie »Kopfi-wehweh« habe. Bloß, bei uns wirkte das halt nicht. Und bei ihren ersten drei »Lieben« wirkte es auch nicht, die zerbrachen.
    Erst ihre vierte »Liebe«, ihr nunmehriger Ehemann, stieg willig darauf ein. Der war nämlich bereits tadellos trainiert. Von klein auf! Seine Frau Mutter war ebenfalls eine große Meisterin im Kränkungs-Erkranken. Sie bekam bei allfälligem Bedarf Erstickungsanfälle mit rasantem Gliederzucken, die bei gröberen Vergehen des Sohnes in Ohnmachtsanfälle ausarteten, welche des Notarztes und eines Rettungswagens bedurften. Und so gesehen hat er es sich durch die Heirat ja enorm »verbessert«.
Die Freunde bleiben dem Ex?
    Da in Österreich jede dritte Ehe geschieden wird, haben klarerweise die meisten Leute unter ihren Freunden und Bekannten etliche »Scheidungsfälle«. Erstaunlicherweise scheint aber der »gesellschaftliche Umgang« mit Geschiedenen für viele Leute noch immer ein Problem zu sein. Vor allem geschiedene Frauen erzählen, dass sie sich nach der Trennung vom Partner auch vom gemeinsamen Freundes- und Bekanntenkreis geschieden und allein gelassen fühlen.
    Aus der Sicht dieser Frauen sieht das so aus: Knapp vor und knapp nach der Scheidung kann die Frau mit Aufmerksamkeit und Anteilnahme rechnen; möglicherweise verbirgt sich unter dieser Zuwendung ja blanke Neugier, aber jedenfalls kümmert sich der Freundes- und Bekanntenkreis um die Frau, ruft an, trifft sich mit ihr, hört ihr zu, wenn sie von ihrem Seelenzustand und ihren neuen Lebensproblemen berichtet.
    Doch bald danach bleiben die Einladungen der Freunde und guten Bekannten aus, ihre Besuche auch, die Anrufe werden spärlicher, schließlich wechseln sie gerade noch, wenn sie der Frau zufällig auf der Straße begegnen, ein paar nichts sagende Floskeln mit ihr. Meistens mit dem vagen Schlusssatz: »Wir müssen uns unbedingt wieder einmal treffen, ich ruf dich demnächst an!« Aber der Anruf kommt dann doch nicht, und nimmt sich die geschiedene Frau ein Herz und ruft selbst an, kommt auch kein Treffen zustande, sondern wieder nur Vertröstung auf »demnächst«, weil die Freunde und Bekannten im Moment gerade so viel um die Ohren
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