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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
Autoren: László Darvasi
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ich.
    Mein Sohn murmelte etwas. Ich stellte mir vor, wie er die Lippen hochzog, sein blasses Zahnfleisch blitzen ließ und die Frau bezahlte, ihr die Scheine in die Hand blätterte. Es wurde still. Die Frau sagte nichts. Eine Studierte offenbar. Man hat ihr schon oft gesagt, was sie zu tun habe. Mein Sohn trampelte auf der Veranda, na, was ist denn nun, Vater. Er kam bis nach vorne, schob den Kopf durch die Tür, sah mich an. Ich saß auf dem Hocker wie üblich. Ich hätte vielleicht sagen sollen, sie sollen wieder gehen, aber ich sagte es nicht. Ich sagte, nichts ist, er solle keine Unruhe verbreiten, und daß ich ihm danke. Danke sehr, mein Junge. Nichts zu danken, brummte er, aber nun müsse er gehen, er habe zu tun. Unterdessen sagte auch Pamela Krv hinter seinem Rücken etwas, das heißt, sie flüsterte eher nur, so daß ich es nicht richtig verstehen konnte, aber soviel konnte ich mit meinem schwächeren Ohr raushören, daß sie meinem Sohn ein Angebot machte. Die nassen Blätter rieben sich aneinander. Wenn es auch mein Sohn mit ihr mache, berechne sie dafür nur den halben Preis. Und wenn sie schon einmal hier sei, warum sollten sie es nicht tun. Alle haben was davon.
    Pamela Krv gehört mir, rief ich hinaus.
    Sie gehört dir, liebster Vater, lachte mein Sohn, Pamela Krv gehört dir, ich habe sie schon bezahlt.
    Jenseits der Grenze muhte eine Kuh, Schafe gaben knarrendes Geblök von sich, und auch ein junger Hahn schrie wild auf. Als würde etwas ertrinken. Und die Stimme des Windes, das Zittern der Blätter, der auf dem lauwarmen Stein entlanggleitende Luftstrom, wie er den Stein reibt, streichelt, anhaucht, und wie daraus Musik wird oder eher eine Art Rhythmus, die Blätter, das Gras und der hochwirbelnde Staub. Ich weiß schon, was Schande bedeutet. Ich hörte den Wind. Und draußen im Wind, wenn auch in keinem sehr großen Wind, stand eine Frau, die mir für diesen einen Tag gehörte. Sie hieß Pamela Krv. Mir war ein bißchen kalt, ich hatte Hunger, aber ich hatte eine Frau.
    Vater, ich gehe, rief auf einmal mein Sohn und wartete gar nicht auf eine Antwort. Seine schweren Schritte, wie er durch den schlammigen Hof Richtung Transporter ging. Aber er rief noch zurück, ich solle auf mich aufpassen. Das stockende Rattern des Motors. Der Transporter fuhr weg, es wurde wieder still, das heißt, ganz still wurde es nicht, denn es gab einen kleinen Wind und die Tiere sprachen, und auf meinem Hof stand eine Frau. Ich stellte mir ihr Gesicht vor. Wie sie sich umsah. Die Nase rümpft und manchmal den Kopf schüttelt, was denn das alles sei. Sie war enttäuscht, sie hatte etwas anderes erwartet. Hatte ihr mein Sohn gesagt, wohin sie kommen würde? Hatte er ihr gesagt, zu wem, zu was für einem Menschen? Hatte er ihr gesagt, was sie erwartete? Egal. Sie ist da und nun kann sie auf nichts mehr hoffen. Pamela Krv sieht, wohin sie gekommen ist. Auf einen von Abfall übersäten, vor Schlamm stinkenden Hof, mit einem winzigen Lehmhaus, einer Veranda mit Säulen und einem verfallenen Brunnen, sie steht da, wie in den Wellenkamm des Schlamms hineingerammt, sie spürt etwas ausgesprochen Unangenehmes, etwas undeutlich Bedrohliches, ausgeliefert ist sie zwar noch nicht, aber enttäuscht auf jeden Fall. Ihr Name ist Pamela Krv. Sie tritt von einem Bein aufs andere, blinzelt, bedeckt die Augen, o mein Gott, sagt sie, mir reicht’s.
    Mein Gehöft. Ich liebe es. Ich bin gern hier, nichts Besonderes, keine sonderlich großen Gefühle, die Einsamkeit lehrt die Seele Ordnung. Und der Rest, der Hof, der Wald in der Nähe, der als Windfang dient, das Gartenland, die andere Seite der Grenze, wo manchmal Blut herübersickert, alles nicht sonderlich interessant. Manchmal bete ich auch. Natürlich gebe ich gerne zu, daß dieser Ort für andere regelrecht abstoßend sein kann. Auch mein Sohn hat es nicht lange ausgehalten. Na ja, ich bin auch nicht gerade begeistert davon, aber es ist immerhin meins. Und jetzt habe ich wieder eine Frau.
    Sind Sie sicher, daß Sie Pamela Krv heißen, fragte ich.
    Ich komme rein, sagte sie und tat einen unsicheren Schritt Richtung Veranda.
    Ich will Ihren Namen hören, sagte ich bestimmt.
    Pamela Krv, flüsterte sie.
    Lügen Sie auch nicht?
    Wie könnte ich lügen, wenn ich doch keine Ahnung habe, was Ehrlichkeit ist, rief Pamela Krv.
    Keine Frage, was sie da machte, war glaubwürdig. Ich spürte ihren Körper, wie er sich zu allem bereit und sehr entschlossen regte, ich spürte ihr Fleisch, die Wärme
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