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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
Autoren: László Darvasi
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beruhigten ihren aufgeregten, beschäftigungslos gebliebenen Schoß mit ihrem Geträller.
    Ich saß neben dem Sterbenden und kam zu der Auffassung, daß Gott ihn mir geschickt hatte. War er kein Engel, so mußte er zumindest einen Engel getötet haben. Hatte er nicht getötet, so mußte er zumindest vom Engelsblut gekostet haben. Und sollte er noch kein Engelsblut getrunken haben, so kannte er gewiß Märchen, in denen alles möglich ist. Der Sterbende sah auf und nickte. Dann röchelte, schnaufte er mir seine Lebensgeschichte ins Ohr. Zum Schluß hauchte er mir einen Wunsch zu, einen Wunsch, der nicht besonders ausgefallen war, doch ich, Bog Dan, Wirt an der Grenze, wußte, daß in seiner Tiefe ein böser Zauber nistete.
    Einige Tage grübelte ich, ob ich der Bitte nachkommen sollte. Dann traf ich meine Entscheidung. Ich schickte einen von meinen Leuten in das nahe Kloster. Betroffen betrachtete die Schwester Oberin den Sack voll Geld. Sie dachte nicht im Traum daran, Schwester Veronika Schwarz herauszugeben. Doch ich wußte, was zu tun war. Um jemanden zu behexen braucht man weder Talent noch besondere Fähigkeiten, nur Geduld von der niederträchtigeren Sorte. Ich wußte Bescheid, war ich doch selbst behext worden. Zwei Wochen lang streuten meine Leute täglich Geld vors Klostertor, immer dann, wenn sich die Nonnen zum Abendessen begaben oder zum Gebet versammelten. Danach ließen wir uns eine Woche lang nicht blicken. Umsonst öffnete sich das Klostertor einen Spaltbreit, umsonst spähte der Klosterdiener in die Ferne. Doch einige Tage später klingelten abermals Goldgroschen vor dem Tor. Wieder geschah lange nichts. Als die Unsicherheit und das Gift des Verlangens die Seele der Oberin endgültig durchdrungen hatten, trat jemand heftig gegen das Tor.
    Ich war es, höchstpersönlich, von Kopf bis Fuß in duftendem Schwarz, wie der Teufel. Dabei war ich gar nicht richtig böse, auch wenn ich so aussehen wollte. Ich sprach kein Wort, starrte die Oberin an, musterte sie lange, und zwischen meinen Zähnen blinkte die Silbermark. Schließlich wurde die Oberin schwach und schickte nach Veronika Schwarz. Ich glaube, als ich das kahlgeschorene Mädchen im härenen Gewand sah, habe ich gelächelt wie der nichtswürdigste Grasmusikant. Ich spuckte der Oberin die letzte Silbermark, die ich im Mund gehabt hatte, vor die Füße.
    Es muß ein seltsamer Anblick gewesen sein. Ein hinkendes, kahles Mädchen stolperte auf der kurvigen Militärstraße hinter mir her. In ihrer Hand eine Holzschüssel, darin Schinken und Speck, frisches Gemüse, Paprika und Zwiebeln. Sie gab mir zu essen, und ich sang dabei. Mit vollem Mund gestikulierend, stimmte ich ein Lied an, das vom Gebimmel der Eiszapfen begleitet wurde. Veronika Schwarz war entweder Jungfrau oder schon tausendmal entehrt worden. Ich, Bog Dan, erzählte niemandem von dem Wunsch des Fremden. Ich erzählte nichts davon, daß ich das Mädchen verstecken mußte. Ich erzählte niemandem, daß jener Sterbende, der vom Leben verbitterte und enttäuschte Vater des Mädchens, entschieden hatte, sein Kind, dessen Mutter er nach der Geburt eigenhändig erwürgt hatte, vor Gott zu verbergen.
    Es ist ein Irrtum, daß Gott tot ist. Es ist auch ein Irrtum, daß er sich nach der Erschaffung der Welt ausgeruht hätte. Ich, Bog Dan, Wirt an der Grenze, weiß, daß dies nicht so ist. Die Schöpfung war über Gottes Kräfte gegangen, sie hatte ihn krank gemacht. Gott ist schwer krank, und diese Krankheit strahlt auch auf die von ihm erschaffene Welt aus. Das ist die Wahrheit, Freunde. Veronika Schwarz hatte auf einem Friedhof gelebt, auf einem Schiff gedient, in vornehmen Schulen gelernt, aber stets in dem Bemühen, Gott nicht unter seine halbblinden Augen zu kommen. Sogar die Frage, warum sie das tat, beantwortete Vladimir Bjelo im Augenblick seines Todes.
    Veronika Schwarz ist ein vollkommenes Geschöpf.
    Vladimir Bjelo tat seinen letzten Seufzer, und auch der hatte eine Bedeutung.
    Weil es erlaubt ist, sagte der Seufzer.
    Das Mädchen beschränkte sich auf die notwendigsten Worte, sie sprach niemals von sich, offenbar hatte sie nichts zu sagen. Anscheinend hatte sie auch kaum Freundinnen. Eine von den Huren trat einmal nach ihr und traf sie im Gesicht, die Haut platzte auf und Blut sickerte aus der Wunde. Die Hure streckte ihre Hand versöhnlich, um Verzeihung bittend, nach Veronika aus, doch die schob die Hand sanft zur Seite. Nicht einmal die Schlampen des Gutshofs verstanden, wozu man dieses
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