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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
Autoren: László Darvasi
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Sätzen Menschen sehen. Zum Beispiel die Leute Milenka Caricas, die die Welt seit etlichen Jahren und besonders in der letzten Zeit mit einiger Verachtung, Bestürzung und Verständnislosigkeit einfach nur Milenka Caricas Leute nennt. Viele von ihnen kenne ich mit Namen, zum Beispiel Milorad, Petr, Jozef, Josip, Stjepan, Koder, Miloš, Ivan, Mihail, Vladimir, und ich weiß, daß manchen von ihnen ein Bluthäutchen zwischen den Fingern gewachsen ist, während andere auf einer stillen Straße in Segedin bleich ihren Tabak kauen und inständig an zu Hause denken. Sie will ich nicht einfach Milenka Caricas Leute nennen, denn damit ginge mir verloren, was zum Beispiel Miloš von Koder unterscheidet, wenngleich dieser Unterschied, um ehrlich zu sein, nicht der Rede wert ist, es handelt sich gerade mal darum, daß unter dem Nagel von Miloš’ kleinem Finger braune Blutspuren glänzen, während sich in Koders Haar die erste graue Strähne zeigt. Und vom braven Major Mihail Koz weiß ich, daß er mit seinem verrückten Sohn aus den Bergen gekommen ist und ihm jetzt eine Frau besorgen will.«

Pamela Krv
    Als mich mein Sohn letztens besuchen kam, bat ich ihn, mir eine Frau von dort unten mitzubringen. Er rieb sich die Stirn, wozu ich denn eine brauchte, in meinem Alter, und überhaupt. Ich dachte ein wenig nach und antwortete schließlich, ich wisse nicht, wozu, sie könnte auch dazu gut sein, einfach da zu sein, zum Beispiel.
    Einmal wird eine Frau kommen und hier sein.
    Bei mir sein.
    Mein sein.
    Ihr Name soll Pamela Krv sein.
    Mein Sohn lächelte. An seinem blassen Zahnfleisch glänzte fauler Speichel. Die Zähne meines Sohnes waren schief, und er hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert. Er stürzte das Glas Schnaps hinunter, trat die Zigarettenkippe aus und ging. Als er schon am Transporter stand, drehte er sich aber noch einmal um. Ist gut, rief er, er werde mir eine Frau besorgen, die Pamela Krv heißt. Über dem Feldweg wirbelte der Staub auf, und es war, als würden ihm die kümmerlichen Trauerweiden am Straßenrand hinterhernicken. Im übrigen wußte ich, daß das nicht so einfach ist. Eine Frau besorgen. Die man will, kommt nicht. Und die man nicht will, drängt sich einem auf, will nicht einmal Geld im voraus, hinterher natürlich hält auch so eine die Hand auf. Zu den Einzelgehöften kommen sie sowieso ungern mit. Sie gehen ins Dorf, sitzen in der Kneipe herum, aber an der Dorfgrenze schlagen sie plötzlich Wurzeln, bleiben bibbernd stehen, ziehen die Schultern hoch und schütteln den Kopf: nein, weiter gehen wir nicht. Und wenn wie durch ein Wunder sich doch eine bis hierher traut, stellt sich bald heraus, daß sie nicht Pamela Krv heißt. So hatte ich mich innerlich schon von der Sache verabschiedet, bemühte mich, gar nicht erst daran zu denken, eine Frau zu haben.
    Wenige Tage später blieb der Transporter meines Sohnes mit einem jähen Ruck vor meinem Haus stehen. Es war ein diesiger, halb wolkiger Vormittag, als könnte sich der Himmel nicht entscheiden, was er wollte, sich aufhellen und blau funkeln oder grau herunterpissen auf die Erde, die Tiere, die Misthaufen. Am Tag zuvor hatte es noch geregnet, eisengraue Drähte spannten sich vom Himmel zur Erde. Der Transporter hupte, Wagentüren klappten zu. Ich rührte mich nicht. Ich spürte, daß mein Sohn nicht allein gekommen war. Das Gartentor knarrte. Mein Sohn sagte etwas, vielleicht soviel wie, bitte da lang, Achtung Schlamm, und keine Angst, der Hund tut nichts.
    Das … das ist aber ein riesiger Hund, sagte eine Frau.
    Ihre Stimme war, wie wenn die Blätter der Schafzunge einander streicheln. Wie wenn sich der Wind zweiteilt und die feuchten Blattrücken faltet, aneinanderreiht.
    Sie soll nicht hereinkommen, rief ich, die Frau soll draußen bleiben, im Hof!
    Mein Sohn lachte, jetzt seien Sie mal nicht albern, Vater, Sie haben gesagt, daß Sie eine brauchen, also bitte, hier ist sie, ich hab sie Ihnen mitgebracht, das war nicht gerade eine einfache Besorgung, aber ich habe es geschafft. Noch dazu heißt sie Pamela Krv!
    Wie? Wie heißt sie? rief ich.
    Pamela Krv, wiederholte mein Sohn.
    Ich will’s von ihr hören!
    Ich bin Pamela Krv, sagte die Frau nach kurzem Schweigen.
    Also, Vater, fuhr mein Sohn fort, bis morgen früh haben Sie eine Frau, das ist fast ein ganzer Tag, aber morgen in aller Frühe muß ich sie wieder abholen, so ist die Vereinbarung.
    Bezahl sie, sagte ich zu meinem Sohn.
    Also, wollen Sie sie doch?
    Natürlich will ich sie, rief
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